Hallo!
Ich glaube euer Kernproblem liegt darin, dass eure Tochter euch zur Zeit als Ablassventil ihrer Wut und phasenweiser Unzufriedenheit nutzt. Abends eskaliert die Sache schlicht. Keine Wunder nach so vielen Stunden Zusammenreißen.
Betrachten wir das Ganze mal rein aus deiner Perspektive, du kommst von der Arbeit(auch nicht immer stressfrei!), musst dann noch schnell mit Kind einkaufen, lässt sie nachher auf dem Parkplatz sogar den Wagen schieben und willst nur verhindern, dass sie die Autos rammt. Ist ja schließlich auch deine Aufgabe als Aufsichtsperson. Und dann wirst du von ihr getreten. Du bleibst ruhig, klärst das, flippst nicht aus. Zuhause darf sie beim Kochen helfen und sie weiß auch ganz genau, dass es vor dem Essen keine Schokolade mehr gibt und trotzdem fragt sie und tritt dich wieder. Beim Essen meckert sie und ölt rum, du kannst dich nicht in Ruhe mit deinem Mann unterhalten und beim Zähneputzen wird dann wieder getreten. Du bist kaputt, vielleicht müde, hast noch Haushalt zu erledigen, wolltest gerne was im Fernsehen schauen und dein Fass ist eben voll. Darum reagierst du heftiger als die Male zu vor. Und je mehr Tage hintereinander so ablaufen, desto kürzer wird deine Zündschnur. Völlig verständlich.
Aus ihrer Sicht, ist ihr Verhalten aber auch logisch:
Sie schleppt wegen dem Streit mit der Freundin sowieso schon blöde Gefühle mit sich rum und dann kommst du auf dem Parkplatz und behandelst sie wie ein Baby. Sie hatte doch schon längst gemerkt, dass sie zu nah an die Autos kommt und hätte das schon geschafft, aber du musstest ihr ja helfen. Und dann gibst du ihr auch keine Schokolade, obwohl sie die so mag und es ist sowieso total unfair, dass ihr Erwachsenen euch selbst alles nehmen könnt und sie immer fragen muss. Das Essen ist eh doof (Schokolade wäre viel besser gewesen!) und ins Bett gehen auch. Und als du ihr dann noch das Vorlesen streichen wolltest... So aus Kindersicht warst du schon ganz schön fies.

Natürlich kannst du deine Erziehungsgrundsätze nicht über Bord werfen, weil deine Tochter dagegen ist. Das ist schon klar.

Aber es hilft, sich beide Positionen bewusst zu machen ohne einer Seite Provokation oder Manipulation vorzuwerfen. Mir hilft das privat als auch beruflich immer.
Was ich machen würde?
Ich würde auf jeden Fall nicht das Abendritual streichen. Es fällt ihr sicher noch schwerer einzuschlafen, wenn sie aufgewühlt ist. Nutzt das Vorlesen lieber um runter zu kommen, den Tag(für euch beide!!) positiv enden zu lassen und ggf. noch Mal über den letzten Streit zu sprechen.
Zum Einschlafen kannst du sie nicht zwingen. Soll sie halt in ihrem Bett singen und spielen. Wenn sie raus kommt, würde ich sie recht unaufgeregt wieder zurück schicken bzw. bringen. Meckern bringt nur wieder schlechte Stimmung. Vielleicht ist sie auch neugierig, was ihr so macht? Fühlt sich ausgeschlossen? Was würde sie denn machen wollen, wenn sie aufsteht? Einer unserer Jungs will auch immer wissen, was mir so ohne ihn machen und findet es gemein, wenn wir mit seinen großen Geschwistern noch im Wohnzimmer sitzen.
Hast du schon mal versucht, wenn sie haut, völlig "unlogisch" zu reagieren? Bei uns hat gegen schreiende Kinder zum Beispiel geholfen zu flüstern. Klingt paradox, aber das hat sie einfach irritiert. Entweder dem Bruder/der Schwester was ins Ohr flüstern(dann wollten sie das auch sofort hören) oder wenn nicht greifbar dem Kind selber. Natürlich großartig inszeniert mit "Pssst" und ganz dicht ans Ohr gehen und richtig rein pusten

Unsere Jüngste haut auch immer mal wieder gerne. Einmal hat ich sie völlig aus dem Konzept gebracht, weil ich auf ihr hauen mit einem richtig feuchten Kuss mitten auf ihre Nase reagiert habe. Sie war sichtlich verwirrt.

Sie hat dann gefragt, warum ich das mache und ich hab nur gesagt "Wenn du was verrücktest machst und mich haust, mach ich auch was verrücktes und schlabbern dich ab wie ein Hund!" Das fand sie so witzig, dass die Situation sich beruhigt hat. Ich sehe es gar nicht ein bei jeder Kleinigkeit in dieses Aktion-Reaktion-Schema zu verfallen: Kind tut was verbotenes, ich schimpfe und sage "das tut man nicht!" und die Stimmung kippt. Ich glaube die meisten 4-jährigen wissen, dass ihre Eltern von ihnen nicht gehauen werden wollen. Ich denke ihr lebt einen gewaltfreien Umgang vor und bietet Kommunikation als Mittel zur Konfliktlösung an. Der Kindergarten vermutlich auch. Es gibt genug Möglichkeiten, um das zu üben. Ihr könnt später darüber sprechen(je älter die Kinder werden, desto leichter wird das) und wenn man mal keine Nerven für eine Szene hat, ist das auch ok. Wenn ich jeden Konflikt mit meinen Kindern ausfechten würde, könnten sie mich schon längst in der Klapse besuchen kommen!!
Apropos "Man tut das nicht!" viel besser ist immer "ICH will nicht, dass du mich trittst/haust!"
Fällt sie im Kindergarten auch durch häufigeres Treten auf? Wenn sie ihre Unzufriedenheit nur an euch auslässt und es sonst bei Worten belässt, ist das sowieso ok. Dann weiß sie nämlich sehr gut, dass "Gewalt" kein angemessenes Mittel ist um seine Wünschen durchzusetzen oder auch nur seine Grenzen aufzuzeigen. Es ist aber ein sehr leichtes Mittel und nachdem sie sich den ganzen Tag Zusammen gerissen hat bei "Fremden", wählt sie dort, wo sie sich sicher und geborgen fühlt den einfachen Weg. Z.B. durfte sie im Kindergarten beim Streit die Freundin nicht hauen und das war nicht leicht für sie, weil sie ja sauer war. Und bei dir fehlt ihr dann die Selbstbeherrschung und sie wählt den einfachen Weg.
Ich an deiner Stelle würde versuchen, positive Momente mehr zu betonen, das Abendritual ganz besonders als schönen Tagesabschluss hervor zu heben und die Strafspirale(schönes Wort übrigens) nicht noch höher zu treiben. Stattdessen lieber ruhige, deeskalierende Maßnahmen und gönn dir Auszeiten, damit du diese Ruhe auch hast. Kinderfreier Abend? Der Papa übernimmt das ins Bett bringen? Irgendwas entlastendes auf jeden Fall.
Mit Sicherheit hat ein Großteil der heutigen Erwachsenen als Kind solche Phasen gehabt und die Meisten von uns kommen heute in Konfliktsituationen ohne Treten und Hauen aus. Deine Tochter wird das auch lernen. Gutes Vorbild sein, ruhig bleiben und ihr Zeit geben. Sie packt das!