Die perfekte Mutter

Die perfekte Mutter Jede Mutter trifft Entscheidungen. Im Grunde ist es, was wir alle ab dem Zeitpunkt des positiven Schwangerschaftstests ohne Unterbrechung tun. Wir entscheiden ob wir das Kind bekommen, wo wir es bekommen, wie es heißen wird, wo es wohnen wird. Nach der Geburt vervielfältigen sich die Entscheidungen weiter. Jede Mutter trifft diese Entscheidungen. Sie trifft sie und sie steht dazu, denn sie trifft sie aus einem entscheidenden Grund: Zum Wohl ihres Kindes.
Dennoch entscheiden Mütter unterschiedlich. Teilweise weil sie es können und teilweise weil sie es müssen. Was allen Entscheidungen zugrunde liegt, ist das darüber Nachdenken und das Abwägen. Was ihnen folgt ist neben dem entsprechenden Handeln, das Rechtfertigen der Entscheidung. Theoretisch müsste das einfach sein, denn man empfindet die eigene Entscheidung als richtig. Wenn man etwas als richtig empfindet, impliziert es, dass etwas anderes falsch sein kann. Falsche Entscheidungen sind folglich jene Entscheidungen, die man nicht getroffen hat. Und genau diese Entscheidungen werden verurteilt.

Frauen mit einer spontanen Geburt verurteilen oft Frauen, die ihr Kind durch einen Kaiserschnitt zur Welt gebracht haben. Frauen mit einer Geburt ohne schmerzstillende Medikamente sehen immer wieder auf Frauen herab, die auf solche Hilfsmittel zurückgegriffen haben. Stillende Mütter denken sie wären eine bessere Mutter, als diejenige, die ihrem Kind ein Fläschchen gibt. Und die bessere Mutter kocht selbstverständlich täglich frisch für ihr Baby, anstatt auf ein Gläschen zurück zu greifen.
Schnell vergessen ist nicht nur die Tatsache, dass es gute Gründe für die Entscheidung gab, sondern auch, dass nicht alle Entscheidungen in unserer Macht liegen.

Ich hatte eine natürliche, spontane Geburt. Ich stille mein fast einjähriges Baby immer noch. Ich bekoche sie täglich selbst und ich urteile in vielen Situationen über Mütter, die nicht den gleichen Weg gehen oder gehen können. Ich verurteile sie nicht aus Boshaftigkeit, sondern um mich in meinen Entscheidungen zu bestärken, aus Stolz, über das was mir gelungen ist und weil ich mich wie eine gute Mutter fühlen möchte. Und trotzdem saß mein natürlich geborenes, monatelang voll gestilltes Baby neulich in einer Autobahnraststätte ohne Hose in einem Plastikhochstuhl von Burger King und wurde von mir mit Hähnchennuggets ohne Panade gefüttert.
Natürlich gab es dafür gute Gründe und keine Alternative. Trotzdem saß eine Mutter mit ihrer Familie am Nebentisch und warf mir verächtliche Blicke zu. Ihr Kind trug nämlich eine Hose und aß selbstgekochtes, eingetuppertes und höchstwahrscheinlich ökologisch angebautes Essen. Genau genommen aß die Mutter das Essen. Das Mädchen rannte durch die Gegend, suchte verzweifelt einen Spielkameraden und ignorierte Mutter und Festmahl. Ich habe beschämt und leicht ärgerlich an meiner übrigen Panade geknabbert, gehofft, dass sie mich nicht anspricht und mir überlegt, dass meine Tochter wenigstens reagiert, wenn ich nach ihr rufe.
Natürlich hat sie mich nicht darauf angesprochen, wie sehr ich doch als Mutter versage. Ich sie auch nicht. Stattdessen sind wir nebeneinander gesessen und haben uns versucht nicht anzusehen. Wir haben vermutlich beide kein bisschen darüber nachgedacht, weshalb wir beide gerade nicht den Eindruck machen, als hätten wir irgendetwas im Griff.



Meine Tochter hatte keine Hose an, weil alles, aber auch alles einge***** war. Sie hatte kein vernünftiges Essen mehr, weil sie kurzerhand beschlossen hatte, dass sie das, was ihr normalerweise schmeckt, plötzlich absolut widerlich findet. Das andere Mädchen saß vielleicht schon stundenlang im Auto auf dem Heimweg von einem Urlaub, in dem ihr kein anderes Kind begegnet ist.

Auf der restlichen Heimfahrt im Auto habe ich mich geschämt. Nicht, weil mein Kind ohne Hose im Burger King gegessen hat, sondern weil ich nach Gründen gesucht habe, warum die einzige andere anwesende Mutter noch schlechter ist als ich. Aus schlechtem Gewissen und weil niemand gerne falsche Entscheidungen trifft oder in Situationen gerät, in denen die Entscheidung nicht mehr getroffen werden kann.

Zwei Kinder laufen Anstatt übereinander zu urteilen, hätten wir uns doch gemeinsam an einen Tisch setzen und über die Hürden einer langen Autofahrt mit Kind lachen können. Die Mädchen hätten das selbstgekochte Essen geteilt und miteinander gespielt. So hätte unser Kind gesundes Essen, das fremde Kind eine Spielkameradin und wir alle unsere Ruhe und unseren Seelenfrieden gewonnen.

Genau das Gleiche gilt für alle anderen Entscheidungen.
Egal wie groß oder klein.
Ein Kind auf die Welt zu bringen ist Liebe.
Ein Kind zu füttern ist Liebe.
Sein Bestes zu geben ist Liebe.
Und genau das tun wir Mütter alle tagtäglich.
Wie wäre es, wenn wir uns dafür einfach gegenseitig beglückwünschen?

[HE]
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