Lasst ihr eure Kinder beim Spielen gewinnen?

Begonnen von Natalie, 07. Januar 2016, 13:03:16

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Natalie

Ich spiele mit meiner Tochter seit einiger Zeit gerne Carcasonne. Ich habe es ganz normal gespielt, also so, wie ich mit jedem anderen spielen würde, und sie hat immer verloren. Sie wollte aber trotzdem immer weiter spielen und mir ist das gar nicht bewusst gewesen, dass sie immer verliert. Vor kurzem meinte sie, sie will das Spiel nicht mehr spielen, weil sie dauern verliert. Gestern hab ich sie dazu überredet, das Spiel wieder mal zu spielen, als Ansporn durfte sie sich allein die Erweiterung aussuchen. Und dann hab ich sie bewusst gewinnen lassen, damit sie ein besseres Gefühl bei dem Spiel bekommt.

Ich habe heute mit meiner Psychotherapeutin über das Thema "Spielen" geredet. Und als ich erzählte, dass meine Tochter bei diesem einen Spiel quasi immer verloren hat, war sie total schockiert und meinte, dass das empathielos von mir war und dass das Kind so keinen Selbstwert aufbauen kann, wenn man es nicht gewinnen lässt. Sie war wirklich ziemlich geschockt von meinem anscheinend falschen Verhalten als Mutter. Und ich muss ganz ehrlich sagen, mir war das nicht bewusst, dass ich meine Tochter quasi gewinnen lassen "muss", damit es für ihre Entwicklung gut ist.

Manchmal spielen wir auch in der ganzen Familie Spiele, da ist ihre 11 jährige Cousine auch dabei, und wir lassen die Kinder nie bewusst gewinnen. Natürlich spielen wir auch Spiele, die die Kinder oft auch gewinnen. Mir ist das ganze Thema nicht bewusst gewesen und ich fühle mich jetzt vor den Kopf gestoßen.

Was für eine Meinung habt ihr zu diesem Thema und wie handhabt ihr das?

schwalbe

hm, das kommt darauf an. Bei Spielen bei denen ich ganz klar im Vorteil bin, weil ich mehr Druchblick habe, helfe ich meinem Sohn. Die meisten Spiele setzten sich ja aus Glück und Strategie oder Wissen zusammen. Den Teil "Glück" beeinfluss ich nicht. Das wäre ja irgendwie schummeln, aber wenn es um Strategie oder Wissen geht, helfe ich ihm, oder er bekommt mehr Zeit oder wie auch immer. 
zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen, Wurzeln und Flügel (Goethe)

Natalie

Also helfen tue ich eigentlich immer. Sie auf Sachen hinweisen, oder sagen, was jetzt noch besser wäre usw. Aber das heißt ja dann nicht zwangsläufig, dass sie gewinnt.

Nipa

Bei Kinderspielen lasse ich nicht gewinnen, da werden wir Erwachsenen aber gern mal abgezockt.

Bei Spielen mit viel Gluecksfaktor (kniffel [Login or Register].) müssen sie einfach durch, da kann ich ja gar nichts beeinflussen.

Bei taktischen spielen (wir z.B. Carcasonne) würde ich aber schon mal einen absichtlichen Fehler einbauen wenn ich merke dass ich dem Kind strategisch überlegen bin.

Dass das Kind einen seelischen Knacks bekommt finde ich aber auch uebertrieben. Im Zweifel wuerde ich halt immer dazwischen ein Spiel
spielen bei dem das Kind reelle Chancen hat.

scarlet_rose

Auch ich mache es vom Spiel und der Erfahrung des Kindes in diesem Spiel abhängig.
Lernen wir ein neues, recht schwieriges Strategiespiel, dann stecke ich durchaus zurück und übergehe mal einige Vorteile, spiele Liam zu usw, denn nur so kann er auch die Strategie lernen, indem er die Möglichkeit bekommt, sie zu sehen und anzuwenden.

Bei Spielen, in denen er Erfahrung hat bzw rein aufgrund des Spielaufbaus kein Vorteil durch meine Erfahrung existiert (Glücksspiele oder Spiele, mit einfachen Regeln usw) mache ich das nicht.

Mensch Ärgere dich nicht z.B. oder Monopoly, da spiele ich ganz normal. Siedler, Carcassonne oder die goldene Stadt, da spiel ich Liam schon hin und wieder zu.
Ja, ich finde es sonst gemein und niederschmetternd, wenn ein Kind gar keine Chance hat mangels Erfahrung und Überblick.
[Login or Register]g[/img][/url]

Solar. E

Ich würde auch sagen, kommt auf Spiel und Situation drauf an. Wenn wir in größerer Runde spielen, hab ich dann eh kaum Einfluss drauf, wer jetzt gewinnt und wer nicht (und ich hätte auch keine Lust auf Diskussionen à "Dem hilfst du IMMER, mir hilfst du NIE und deshalb verliere ich").

Wenn ich mit einem alleine spiele und merke, derjenige bekommt schlechte Laune, weil er schon paarmal verloren hat, ja dann spiele ich selber möglicherweise auch mal absichtlich schlecht wenn möglich. Aber das ist der Ausnahmefall. Vermutlich würde ich aber nochmal anders rangehen, wenn ich weiß, dass da jemand vor Wut das Spielbrett durch die Gegend pfeffert, wenn er verliert.

Also nö, wenn es dir selber nicht aufgefallen ist bis dahin, wird sie wohl auch keinen Knacks davongetragen haben - dazu kommt es auch nicht, weil sie vorher schlicht keinen Bock mehr hat.

Ich finde es eher sinnvoll, wenn Kinder lernen, dass man beim Spiel auch mal verliert. Weil was ist, wenn sie gegen Mama immer gewinnen und dann spielen sie untereinander ohne Erwachsene ein Brettspiel - da gibt es ja auch Gewinner und Verlierer und wenn sie alle nicht verlieren können, dann oh weh.

@Nipa
Kniffel ist für mich ein Spiel, bei dem man durchaus auch taktieren kann (das hat mir als Kind mein Bruder in aller Ausführlichkeit beigebracht  :P)

Anders

#6
edit

guest4324

Ich lasse die Kinder regelmäßig gewinnen, versuche ihnen aber auch meine Spieldenke beizubringen.

Mein Vater war knallhart: er hat mich nie gewinnen lassen.
Ich bin da wirklich durch eine harte Schule der Frustration gegangen und der einzige Grund, warum ich trotzdem gebrannt habe, mit ihm zu spielen, war zum einen die Tatsache, dass ich sonst niemanden hatte (Einzelkind, Mutter verabscheute Spiele, wenig Gleichaltrige im Ort) und zum anderen die nie versiegende Hoffnung, ihn irgendwann doch mal zu schlagen.

Na ja, nachhaltig geschadet hat es mir glaube ich nicht, aber ich fand es damals mitunter schon bitter frustrierend. Umgekehrt glaube ich nicht, dass ich von dieser knallharten Ehrlichkeit meines Vater profitiert habe. Ich bin zwar ein guter Verlierer und so gut wie nicht zu demotivieren, aber ich denke nicht dass das der Verdienst meines Vaters ist.
Ich hatte als Kind bloß weniger Gewinnerfreuden und die machen schon einen Großteil des Spielspaßes aus.

Nipa

@Solar: Ja, eine gewisse Taktik ist natürlich dabei, aber ich kann ja nun auch nicht "absichtlich schlecht würfeln". Von soher sehe ich da die Möglichkeit ein Kind gewinnen zu lassen einfach limitiert.

Oh ja KardaMom: Ich bin bei Memory schon echt abgezockt worden. Bitter..
Vorallem weil ich mir einbilde mir gar nicht so wenig zu merken, aber wenn da eins der Kinder mal dran und "drin" ist, dann haben wir Erwachsenen da irgendwie keine Chance nochmal dranzukommen...

Fliegenpilz

Nein, lasse ich sie nicht - wir spielen aber auch einfach eigentlich immer zu Dritt oder Viert, dementsprechend kann ich nicht einem Kind diesen Bonus geben und dem anderen Kind nicht.
Ich gebe Hilfestellungen, sie dürfen auch nochmal "nachkorrigieren" (SkipBo z.B.) - aber ich verliere nicht absichtlich. Sie verlieren auch nicht bei Memory nur damit es mir im Anschluss besser geht.

Und hier gewinnt jeder mal. Wir versteifen uns aber auch nicht auf ein Spiel und spielen es bis es jedem zum Halse heraus hängt. Wir wechseln immer wieder, selbst am Spielenachmittag. So hat jeder eine Chance und alle gehen glücklich und frustriert gleichermaßen aus der Situation!

Natalie

Zitat von: Fliegenpilz am 07. Januar 2016, 15:03:00
Sie verlieren auch nicht bei Memory nur damit es mir im Anschluss besser geht.

Naja, aber du bist eine erwachsene Frau und kein Kind mehr, das man in seiner psychischen Entwicklung bestärken soll.

Fliegenpilz

Ich verweigere mich vor dem Gedanken, dass die komplette psychische Entwicklung und das Selbstwertgefühl meiner Kinder von verlorenen Spielrunden abhängt - wichtig ist es das Gewinnen und Verlieren im Gleichgewicht zu halten bzw. das Verlieren nicht ein dauerhafter Zustand ist. Und um das zu gewährleisten muss ich unsere Kinder nicht absichtlich gewinnen lassen sondern kann einfach Spiele wählen, die uns auch allen Spaß machen und zum Erfolg der Kinder beitragen, da sie mir überlegen sind oder eine bessere Taktik gewählt haben als ich.

Natalie

Da hast du vielleicht recht, vielleicht auch nicht. Mir ging es lediglich darum, meine Meinung zu deinem meiner Meinung nach schlecht gewählten Vergleich zu sagen. Erwachsene sind nun mal keine Kinder und umgekehrt.

Schnukki

Bei neuen und schwierigen Spielen lasse ich A. hin und wieder mal dadurch gewinnen, dass ich ihr eben helfe oder auch mal mit Absicht etwas falsch mache.
Aber gerade bei neuen Spielen ist es einfach so, dass sie halt anfangs öfter verliert.
Wenn sie mit Freundinnen spielt, dass muss sie auch verlieren können - und das klappt ganz gut.

@ Natalie: Wenn Deine Maus immer verloren hat, dann kann ich verstehen, dass sie etwas traurig war und dann keine Lust mehr hatte. Aber ich denke ein Kind bekommt keinen seelischen Knacks, wenn man es nicht ab und zu gewinnen lässt. In der Kita und Schule lernen sie es ja auch ohne das jemand *hilft* oder gewinnen lässt. Aber ich habe mir darüber allerdings auch noch nie so den Kopf zerbrochen  :-\

Natalie

Schnukki, ich hatte mir ja darüber ehrlich gesagt auch noch nie Gedanken gemacht. Und irgendwie fühle ich mich echt vor den Kopf gestoßen, da meine Psychotherapeutin das so drastisch formuliert hat. Sie arbeitet auch viel mit Kindern, also ich denke schon, dass sie da kompetent ist. Aber heute habe ich mich gefühlt, als ob sie mich als schlechte Mutter darstellt und das hat sich echt nicht gut angefühlt.  :(

Schnukki

Vielleicht klang es auch nur so drastisch weil es für sie eben ganz normal ist, dass man sein Kind auch mal gewinnen lassen muss.
Mach Dir keinen Kopf ... und lasse sie bei den nächsten Spielen einfach hin und wieder mal gewinnen bzw. spiele vielleicht mit ihr zusammen gegen jemand anderen. Dann lernt sie das Spiel noch besser und vielleicht auch ein paar Tricks auf die sie alleine nicht gekommen wäre.

Nachtvogel

ja ich lasse meine Kinder auch mal gewinnen. Nicht immer aber eben öfter mal.
Das muss ich auch denn sonst würden sie nie gewinnen  ;D :P

Auch wenn man zu 3 oder 4 spielt kann man die Kinder gewinnen lassen. Wer dann gewinnt darauf habe ich nicht unbedingt Einfluss aber ich kann mich selber als sicheren Sieger schonmal rausnehmen und es ist dann ein Ding unter den Kindern (und das ist auch was anderes, da ist es ausgeglichener, mit der Zeit gewinnt da jeder Mal weil das Niveau ähnlich ist)

Ich staune auch immer wenn ich lese das Eltern ohne Absicht wirklich mal gegen Kinder verlieren :o ;D

Ich spiele ja auch in den Schulen öfter mal mit den Schülern (6-12) aber ich war glaub ich noch nie in der Situation unabsichtlich mal verloren zu haben :-\ (außer bei puren Glücksspielen halt)
36+3 -> 2940g / 37+4 -> 3320g / 38+5 -> 3660g
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Muse

Also meine Tochter hat mich auch schon bei Spinderella abgezockt weil sie das Spiel gut verstanden hat.  ;)
Bei Glücksspielen wie Bingo zB hat man es eh nicht in der Hand.

Grundsätzlich ja, klar lasse ich die Kinder auch mal gewinnen bzw weise die Große mal auf einen strategisch besseren aber für mich ungünstigeren Zug hin.

Meine Eltern haben als Kind quasi nie mit mir ein Brettspiel gespielt - da ist spielen und das Kind nicht gewinnen zu lassen schon mal grundsätzlich besser als gar nicht zu spielen.  :P

Anders

#18
edit

Nachtvogel

 ;D

ich verliere aber echt nie, wenn ichs nicht drauf anlege :-[ (mein Mann will deshalb ja auch nie mit mir spielen  ;D)
36+3 -> 2940g / 37+4 -> 3320g / 38+5 -> 3660g
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Zita78

#20
Ich glaube, das ist ein Einzelkind-Problem, oder?
Schließe mich Nachtvogel an - ich verliere absichtlich. Nicht immer, aber oft und so hat das verlierende Kind immer jemanden, der auch verloren hat..
Wir wechseln die Spiele aber auch immer. Nach mehreren Runden ist das Frustlevel höher, als wenn man zwischendurch wechselt.  Und bei neuen Spielen geben wir Hilfestellungen - wir haben Spinderella neu und da sage ich schon "ja, Du kannst die Borke jetzt auf Sarah setzen (wie immer), aber guck doch mal, der Papa ist schon mit der zweiten Ameise fast am Ziel"  ;D
Nur geschummelt werden darf nicht, da bin ich eisern. Gewürfelt ist gewürfelt..

guest4811

Ich lass die Kinder auch mal gewinnen, aber halt nicht immer.

Wir helfen viel bei komplizierten oder neuen Spielen, so dass sie auch eine Chance haben.
Ich mag aber auch total gern kooperative Spiele, bei denen wir als Gruppe gewinnen oder verlieren.

A.n.j.a

#22
Natalie, selbst ICH hab mich vor den Kopf gestossen gefühlt beim Lesen Deines Postings und spontan Anti-Psychotheraupeuten-Ressentiments aufgebaut!

Wir spielen nicht soviel, ich kann daher dazu leider wenig sagen. Aber dieses Carcassonne hört sich toll an, ich steh ja auch auf Siedler und sonstige Wirtschaftssimulationen....danke für den Tip.

Meine Kleine hat eine ziemlich niedrige Frustrationstoleranz, und die lassen wir gerne mal gewinnen, um die Laune hochzuhalten. Ansonsten spielen wir gerne so Sachen wie Rummycub mit Buchstaben und Zahlen, da kann man wenig helfen. Aber es ist Fun. Genau wie Kreuzwort, das machen mein Vater und ich bis heute mit viel Leidenschaft gemeinsam. 

Und Kniffel war DAS Spiel meiner Kindheit, Würfel organisiert man immer irgendwie, auch in Afrika am Strand (so geschehen) und der Spielschein ist schnell gezeichnet. Ein  tolles Spiel, und auf jeden Fall strategisch!

Wir spielen mit den Kids eher so Phantasiekram, post-its an der Sirn zum Raten, wer/was man ist, ein herumgereichter Zettel mit einer absurd-lustigen Fortsetzungsgeschichte oder so, da gibt es keine Gewinner. Weder kratzt es jedoch an meinem Ego, wenn ich nicht gewinne noch hab ich mir da jemals ernsthaft drüber Gedanken gemacht.  Auch daher finde ich die Aussage von Natalies Therapeutin so krass.

Hrefna, das hört sich echt schrecklich an, mensch.  :-*

Sabrina84

#23
 :)


Karlanda

Zitat von: A.n.j.a am 08. Januar 2016, 10:07:58
Meine Kleine hat eine ziemlich niedrige Frustrationstoleranz, und die lassen wir gerne mal gewinnen, um die Laune hochzuhalten.

Weder kratzt es jedoch an meinem Ego, wenn ich nicht gewinne noch hab ich mir da jemals ernsthaft drüber Gedanken gemacht.  Auch daher finde ich die Aussage von Natalies Therapeutin so krass.
Aber Anja, genau das ist es doch: Du sagst zwar, Du hättest Dir darüber nie Gedanken gemacht, aber gleichzeitig schreibst Du, dass Ihr die Kleine gelegentlich gewinnen lasst, um die Laune hochzuhalten. - Instinktiv macht Ihr also genau das, was die Therapeutin meint.

Ich denke, dass das jeder irgendwie so macht, wenn er merkt, dass ein Kind beim Spielen total frustriert ist. Ziel des Spielens ist es ja letztlich (zumindest aus "Erwachsenensicht"), dass man gemeinsam Spaß hat.
Insofern schließe ich mich den meisten Aussagen hier an: Ich spiele schon "richtig", lasse die Kinder auch nicht immer gewinnen, gebe mitunter aber einen Tip oder "übersehe" einen für mich vorteilhaften Zug - wichtig ist auf jeden Fall, dass es nicht auffällt.
Und was das Schummeln angeht, bin ich ganz bei Zita! - Das geht gar nicht.

Womöglich hat Natalies Tochter nie so deutlich gezeigt, wie sehr sie das Verlieren frustriert, so dass Du, Natalie, Dir eben nie Gedanken darum gemacht hast, weil es ja keinen offensichtlichen Anlass ( - also ein weinendes, tobendes oder schmollendes Kind - ) gab. - In jedem Fall finde ich die Aussage der Therapeutin so pauschal auch ziemlich heftig und denke, Du solltest Dir das nicht so zu Herzen nehmen. Versuch doch einfach mal, Dich und Deine Tochter in gemeinsamen Spielsituationen ein bisschen genauer zu beobachten und sucht Euch vielleicht erst einmal ein paar Spiele, bei denen Du nicht so eindeutig überlegen bist. Aber lass Dich bloß nicht verunsichern und den Spaß am Spielen nehmen!  :)