Burnout bei Mütter

Begonnen von Serendipity, 31. Juli 2012, 08:31:33

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Serendipity

Guckguck

Ich bin 36 Jahre alt und bin Anfang Jahr zum zweiten Mal Mutter geworden. Die Geburt war prima und mein Sohn ist alles in allem ein zufriedenes, pflegeleichtes Kind... er trägt also nicht die Hauptschuld für die Situation, in der ich mich befinde... Vor 22 Monaten habe ich hochschwanger einen grösseren Umzug in die Schweiz gemacht. Zwar wollte ich mich nicht verausgaben, aber man kennt das ja, schwanger hin oder her, man packt dann doch mehr an, als man sollte. Auf die Schwangerschaft hatte es so direkt keine Auswirkungen, aber meine Tochter wuchs trotz gut funktionierender Plazenta nicht mehr so ordentlich und kam eher zierlich, wenn auch nach Termin zur Welt. Die Geburt war lang und schwierig und ich bekam anschliessend das Kindbettfieber, die Kleine konnte nicht an der Brust trinken, so dass ich nach langem Kampf und völlig ausgelaugt abstillen musste. Sie hatte grosse Verdauungsprobleme und entwickelte sich nach 2 Wochen zum Schreibaby, was sich auch die ersten 4 Monate durchzog. Zwar wurde es danach besser, aber sie blieb das erste Lebensjahr mehrheitlich fordernd und schnell unzufrieden. Als sie 5,5 Monate alt war, wurde ich erneut schwanger (medizinisch war bereits die erste Schwangerschaft ein Wunder, daher war die zweite erst recht eine Überraschung). Es war ne schwierige Zeit, die sowohl physisch wie psychisch einiges von mir abverlangte. Die zweite Schwangerschaft war schwieriger, mit bedeutend mehr Beschwerden aber auch bedeutend weniger Ressourcen, zumal meine Tochter ja viel Energie forderte und mir wenig Ruhe schenkte. Meine Mutter kam ins Krankenhaus und brauchte zuhause anschliessend Unterstützung... Die körperliche Belastung war auch nicht ohne mit immer grösser werdendem Bauch, aber einem Baby, das noch nicht selber laufen und man daher dauernd rumtragen musste. Die Mehrfachlbelastung forderte seinen Tribut: 10 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin musste ich ins Krankenhaus, da sich eine frühzeitige Geburt abzeichnete, die ich glücklicherweise durch konsequentes Liegen während 5 Wochen im KH und einigen schonenden Wochen zuhause verhindern konnte. Eine zwar körperlich erholsame (man durfte ja nur liegen), aber dafür psychisch belastende (Trennung von meiner grossen, die ich plötzlich fremdbetreuen lassen musste) Zeit. Anfang Januar durfte der kleine Mann aber ausziehen, was er auch tat. Alles war erstmal gut, wenngleich zwei Kinder mit nur 13,5 Monaten Abstand echt ne ziemliche Herausforderung darstellen. Man hat das Gefühl, sich dauernd zweiteilen zu wollen. muss ständig improvisieren und auch einiges an Geschrei aushalten, weil man eben nicht an zwei Orten gleichzeitig agieren kann. Mein Mann half immer mit so gut es ging, musste tagsüber aber natürlich arbeiten. Unterstützung hatte ich wenig, da meine Mutter zwar nah bei wohnt, aber gesundheitlich nicht so belastbar ist, als dass ich ihr die Kinder (oder eins davon) regelmässig geben kann... mal ne Stunde oder 2 die Woche, mehr ist nicht möglich. Seit der Liegezeit im KH hab ich zwar ne Tagesmutter, zu der ich die Grosse und bald auch den Kleinen mal gebe, aber finanziell sind auch hier nur ein paar Std. die Woche möglich. Und ein Kind ist in der Regel immer da. Dann kam auch noch ein Umzug in eine grössere Wohnung dazu, was echt mit einem Baby und einem Kleinkind ne riesen Herausforderung in jeglicher Hinsicht war.
So langsam haben wir uns in der neuen Wohnung eingelebt, aber die erwartete Entspannung, Zufriedenheit, Erleichterung blieb grösstenteils aus... im Gegenteil... ich hab gemerkt, wie ich in den letzten Wochen immer mehr emotional an meine Grenzen kam, wie ich einerseits träger, antriebsarmer wurde und andererseits weniger belastbar und schneller von den Kindern (wenn sie mal nicht so wollten, wie ich es gerne hätte) genervt als auch mit den tausend Dingen, die ich tun sollte, wollte, überfordert wurde. Ich liebe meine Kinder und funktioniere als Mutter grösstensteils so wie es sein muss (ich wäre gerne etwas geduldiger und würde mich gerne mit mehr Elan und Energie in den Alltag mit ihnen begeben). Auch sind es meine Kinder, die bei mir noch Freude und ein Lachen auslösen können. Aber davon abgesehen schwindet mit jedem Tag das Interesse und die Freude an allem anderen. Irgendwie erscheint mir so vieles nicht mehr wichtig, uninteressant, langweilig, belanglos...Zwar suche ich noch den Kontakt zu anderen, merke aber dann im Kontakt selbst, dass es mir fast zu viel und zu anstrengend ist, so dass ich mir fast wünsche, alleine zu sein. Überhaupt würde ich gerne gar nicht erst aus dem Haus müssen, aber den Kindern und einem gefüllten Kühlschrank zuliebe, zwinge ich mich dann doch dazu. Ich hätte gerne, dass mein Haushalt immer gemacht, die Wohnung sauber und mehrheitlich aufgeräumt (von Kinderspielzeug mal abgesehen) ist, die Dinge organisiert sind... halt so, wie ich denke, dass ich es bei so vielen anderen Familien sehe... und dann plagen mich Selbstvorwürfe und Schuldgefühle sowie Versagensgefühle, weil ich das scheinbar nicht so gut hinkriege. Je länger je weniger kann ich mich noch dazu aufraffen, was zu erledigen, was getan werden sollte. Es braucht dann die absolute Deadline, damit ich es unter Druck dann doch mache. Auch wenn ich mir über mich selbst ärgere, kann ich die Energie wie nicht aufbringen, das was ich mir vorstelle umzusetzen, schon gar nicht mit zwei kleinen Kindern, die mir dauernd am Rockzipfel hängen und bespasst und versorgt werden wollen. In den seltenen Momenten, wo beide mal gleichzeitig schlafen, mache ich... NIX! Zumindest nichts wirklich wichtiges. Ich bin in onlineshops auf der Suche nach neuen Schuhen für die Grosse oder nach einer Krabbeldecke für den Kleinen, oder ich ticker mit ner Freundin... der Haushalt bleibt in der Std. ebenso liegen wie wirklich was entspannendes für mich (irgendwie erwarte ich dauernd, dass eins der Kinder jede Sekunde aufwachen wird, weswegen es sich gar nicht erst lohnt, was anzufangen)...

Naja, am Wochenende musste ich mir selbst dann auch endlich mal eingestehen, dass es so einfach nicht weitergehen kann... schon alleine aus emotionaler Sicht heraus nicht! Bevor ich mich wieder von meinen Kindern trennen muss, weil ich stationär in eine Klinik komme, will ich rechtzeitig die Notbremse ziehen und bin daher heute zu meinem Hausarzt... der hat die Diagnose Burnout (falls man dem bei Müttern, also nicht berufstätigen auch so sagt) / Erschöpfungsdepression bestätigt und mir ein Antidepressiva verschrieben und mir ne Überweisung für eine Psychotherapie (auf meinen eigenen Wunsch hin) mitgegeben. Nun stehe ich also vor dem Anfang vom Ende und vor dem Anfang von einer hoffentlich besseren Zeit... Noch weiss ich nicht, was mich erwarten wird, so unter Medikamenten (muss das Rezept morgen noch einlösen) und ich habe ehrlich gesagt ein wenig Angst vor den Nebenwirkungen, weiss aber, dass es ohne einfach nicht geht.

Ich würde mich freuen, wenn ich hier auf andere Mütter treffen könnte, denen es ähnlich ergeht oder ergangen ist, und mit denen man sich auch über Burnout bei Müttern/Eltern austauschen könnte... im Netz findet man nämlich nicht sehr viel darüber und ich bin mir sicher, dass ich trotzdem kein Einzelfall bin.

LG Serendipity

PS: noch ne Randbemerkung... Mutter-Kind-Kuren gibt es hier in der Schweiz nicht, diese Möglichkeit hab ich leider nicht und muss daher auf ambulantem Weg ohne viel (finanzieller wie organisatorischer) Unterstützung einen Weg aus diesem "Sumpf" finden

Fusselchen

Lass dich erst mal ganz dolle drücken  s-druecken s-druecken

Da hast du echt eine ganz ganz anstrengende Zeit hinter dir bzw. ist sie es ja noch...ich kann ansatzweise nachvollziehen wie es dir derzeit geht, auch wenn meine zwei 23 Monate auseinander sind...

Mir ging/geht es ähnlich wie dir...ich habe lange lange gekämpft bis ich nach dreimaliger Absage einer MuKiKur eine Rehamaßnahme (6 Wochen mit Kindern) genehmigt bekommen habe...gibt es denn wenigstens diese Möglichkeit in der Schweiz? Ne MuKi-Kur ist ja "vorbeugend" (wurde mir gesagt) und ne Reha soll es halt wieder "richten" wie auch immer...

Deine Gedanken mit dem aufgeräumt haben, den Haushalt in Schuss haben wollen, ja die kenne ich...und auch ich bin damals verzweifelt...ich hatte das umgekehrte Melina war eigentlich ein Traumkind (die Große) dann kam die zweite Schwangerschaft..liegen ab der 19. SSW nicht mehr viel bewegen, Wehenhemmer...Sanja erst mal im KH nach der Geburt und dann ein Schreikind und Klammerkind vom Feinsten bis sie ein Jahr alt war...ich bin auch erst mit Tabletten und Überweisung aus der Praxis gewandert, als ich sagte "HILFE...ich kann nicht mehr".... gebe aber zu, die Tabletten habe ich nicht lange genommen...auch wenn sie im ersten Moment doch etwas von dem Elan den ich haben wollte zurückgegeben haben...

JETZT...nach knapp zwei Jahren nachdem ich anfing zu fragen was ich tun kann..wird es langsam besser..ich kriege endlich den Po hoch und die Reha hat da echt ein großes Stück geleistet...erkundige dich doch mal in diese Richtung...

Ansonsten...es muss mal definitiv nicht wie geleckt aussehen wenn man zwei so kleine Kinder hat  :-* :-* :-*...mach dir deswegen bitte nicht so viel Stress...ich bin irgendwann dazu übergangen so zu leben, dass ich Besuch mit zehn Minuten Vorlaufzeit in einem halbwegs aufgeräumten Zimmer empfangen kann  S:D Man ist nicht festgeklebt am Boden und man konnte von selbigem auch nicht essen...Spielzeug flog immer hier rum (hat sich dank unserer Spielzimmeridee GsD erledigt...da wird halt die Tür zugemacht  S:D)

*Blümchen*

Hallo Serendipity!

Ich gehöre auch zu den "Glücklichen" mit einer Burnout bzw. eher Depressions-diagnose.

Erstmal finde ich es super, dass Du Dir schon Hilfe gesucht hast! Mir hat mal ein Arzt gesagt: je länger man es brennen lässt, desto mehr Löschwasser braucht man. Also, guter erster Schritt.

Leider wirst Du in nächster Zeit viel Geduld brauchen, und zwar mit Dir selbst! Schraub Deine Ansprüche zurück, beschränke Dich aufs Nötigste und versuche Dinge zu finden, die DIR gut tun. Ich gucke zum Beispiel zur Zeit viel Olympia, obwohl ich es eigentlich schrecklich finde, die Zeit nicht zu nutzen, um mit Nora nach draußen zu gehen. Andererseits kann ich mich dabei etwas entspannen und so fühle ich mich gegen Abend besser und kann mich dann noch mal richtig einbringen hier zu Hause.

Eine Therapie ist sicher eine sehr gute Idee. Mir hilft es oft, wenn Situationen mal relativiert werden und aus einer anderen Sicht betrachtet werden. Ich empfinde meine Therapiestunden oft als sehr befreiend, auch wenn es Tage gibt, wo sie mich eher runterziehen. Aber auch das zeigt nur, dass ein Prozess in Gang gekommen ist.

Als ich das erste Mal ein Antidepressivum verschrieben bekam, war ich total geschockt, weil mir gesagt wurde, dass ich es mindestens 1 Jahr nehmen sollte. Nebenwirkungen habe ich allerdings kaum welche verspürt (außer vielleicht einer Erstverschlimmerung). Also nur Mut!

Du kannst mich gerne anschreiben, wenn Du Fragen hast oder Dich weiter austauschen möchtest!

Liebe Grüße

PS: Ich gehöre zwar zu den Berufstätigen, habe aber eigentlich nicht den Eindruck, dass ich mich auf Arbeit oder zu Hause sonderlich verausgabe...

Schildi

Hallo Seren,

ich habe öfter mal an dich denken müssen und frage mich wie es dir mittlerweile geht?


liebe Grüße!


guest1707

Ich lese das jetzt zum ersten mal und bin gerade entsetzt  :-[ Seine Symptome sind meine. Immer diesen Drang alles den Ansprüchen nach perfekt zu haben, aber einfach kraftlos zu sein, es nicht zu schaffen.
Ich bin für mich gerade ziemlich am Limit und das aber seit Wochen... ich hbae mir nun fest vorgenommen nächste Woche zum Arzt zu gehen, allein auch wegen 2 anderer Dinge die mich fast schon in die Praxis zwingen. Impfauffrischung und Schmerzen in der Schulter seit 3 Wochen.
Ich komm selbst nicht mehr weiter und ich kann meine Familie grad nicht weiter damit belasten.  :-[ :-[ Oh man Dein Beitrag war grad mein Spiegel.

Ich hoffe dir geht es mittlerweile besser. :-*

Pela

Ich wünsche Dir alles Gute!

Antje

Ich wünsche dir auch alles Gute :)