Wie nehme ich meinem Sohn den Druck in der Schule?

Begonnen von Jule-82, 06. September 2016, 17:06:38

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Jule-82

Die Schule hat bei uns gerade wieder begonnen, und seit knapp einer Woche klagt mein Sohn 8 Jahre
ständig über Bauchweh, die aber immer schnell wieder verschwunden sind, wenn ich mit ihm knuddel. Er ist ein sehr guter Schüler und hat keine Probleme dem Unterricht zu folgen. Fragt aber trotzdem ständig, was ist wenn diese oder jene " Note" schlechter wird...... Sagt, ich habe Angst, dass ich sitzen bleibe! Wir als Eltern betonen bei jeder Klassenarbeit, dass wir stolz auf ihn sind, dabei ist es egal, ob sie fehlerfrei war oder eben aus dem Kurs. Seine Klassenlehrerin bestätigt ihm er kann sich auf die Schulter klopfen für sein tolles Zeugnis... und trotzdem hat er wahnsinnige Versagensängste. Er traut sich in der Schule nicht, sich zu melden, aus Angst, dass das was er sagt falsch sein könnte. Er bricht bei jeder Hausaufgabe in Tränen aus, wenn sie ihm nicht sofort zufliegt. Im Unterricht wirkt er traurig/ depressiv und auch zu Hause kann er sich nicht aufraffen sich für ein Hobby zu interessieren. Ich weiß nicht, was ich noch anstellen soll. Hat jemand ähnliche Erfahrung und kann mir weiter helfen? Oder soll ich direkt einen Kinderpsychologen aufsuchen?

Hubs

Mein erster Gedanke war, dass das Loben vielleicht der falsche Ansatz ist. Ich würde ihm eher Mut zum Fehler machen zu sprechen.  Dass es okay ist Fehler zu machen und dass alles okay ist, wenn er mal ne Arbeit verhaut.
Das Lob zielt immer auf Leistung ab.
Hubs mit den beiden Buben *04/2009 *01/2012



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Meph

Hubs, es tut mir leid, aber man sieht so deutlich, dass du sehr an Jesper Juuls Feder hängst.
Lob ziehlt NICHT immer auf Leistung ab! Wofür und wie wir loben hängt von unserer eigenen Wahrnehmung ab. Bin ich ein leistungs/ergebnisorientierter Mensch mag deine Vermutung hinhauen, bei mir trifft sie z.b. garnicht- und ich lobe viel! Und sicher nicht das Ergebnis. Ich lobe es, wenn ein ägstliches Kind sich getraut hat etwas auszuprobieren, dass ein Kind sich getraut hat sich den schweren Matheaufgaben zu stellen, ich lobe es wenn sie neugierig in die Welt schauen, ich freue mich und lobe wenn sie mit inbrunst ein Bild malen- ich unterstütze Prozesse, nicht Ergebnisse. Und in der Anerkennung ihres Handelns, der Unterstützung ihres Mitgebrachten reifen sie und erlangen Selbst-Vertrauen und Selbst-Bewustsein.

Jule, woran liegt es denn, dass er sich nicht traut? Eigener perfektionsanspruch? Zurückweisung durch Mitschüler/Lehrer? Ich würde versuchen den Grund herauszufinden/beobachten und dann schritt für schritt am Selbstvertrauen arbeiten.
Hier gibt es auch mal tränen, wenn etwas nicht sofort gelingt. So what? ich bin manchmal auch echt ärgerlich wenn ich mir was einbilde und es klappt einfach nicht! Kinder dürfen diese Gefühle auch haben! Wichtig finde ich, dass sie dann damit nicht alleine sind, Verständnis bekommen. Erleben, dass sie nicht allein mit dem Frust sind... und dann kann man die Sache neu gemeinsam betrachten- und schwups, ist das auf einmal garnicht mehr sooo schwer... Oder wir legen den kram erstmal zur seite und gehen ne runde toben, weil der kleine kopf und der ganze Mensch gerade nicht bereit ist zum lernen und erstmal bewegung braucht. Und manchmal klappt das Arbeiten i Sitzen auch einfach nicht, aber wenn man auf dem Fussboden liegt flutscht es. Wir bzw die Kinder schauen Situation für Situation: Was tut mir gerade gut, was kann mir helfen, was brauche ich gerade? Dabei unterstütze ich- und dabei lobe ich auch wenn sie für sich einen Weg gefunden haben.
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Fliegenpilz

Ein Kind zu loben und einem Kind Fehler zu zu gestehen und dem Kind den Mut geben Fehler zu machen, schließt sich nicht gegenseitig aus.

Genau genommen schreibst du ja auch, Jule-82, dass ihr euren Sohn trotz Fehler lobt. Damit lobt ihr nicht die klassische Leistung sondern auch sein Verhalten: Und ja, das empfinde ich als sehr wichtig!
Er bekommt positives Feedback, einfach für das was er ist und was er macht. Ohne das alles "supidupitoll" ist.

Unsere große Tochter äußert auch dann und wann, dass sie dieses Jahr bestimmt doppeln muss. Ich frage sie dann "Wieso denkst du das?" und sie erklärt dann auch mit ganz fadenscheinigen Argumenten, die für sie jedoch großes Gewicht haben.
Ich frage dann weiter ob schon mal irgendjemand zu ihr gesagt hat, dass sie vielleicht doppeln muss oder ob sie meint, dass ihre Noten ein Grund wären zu doppeln. So bekommen wir sie doch immer wieder recht schnell "auf Kurs" und sie entfernt sich von dem Gedanken zu Doppeln.

Die Angst etwas Falsches im Unterricht zu sagen hatte sie auch eine kurze Zeit. Da habe ich ihr erklärt, dass es wichtig ist Fehler zu machen, einfach damit es die Möglichkeit gibt zu lernen - wenn ich alles weiß, dann brauche ich nicht in die Schule. Behalte ich die Fehler oder Unwissenheit für mich, dann werde ich diese auch weiter mitnehmen und nichts lernen. Melde ich mich, sage etwas, dann kann es falsch sein - aber auch richtig - und wenn es falsch ist, dann lernen alle dadurch, weil sie bestimmt nicht die einzige ist, die es nicht weiß oder falsch gemacht hat.
Das hat sie doch ermuntert sich mehr zu trauen auch ihre Lücken zu zeigen!

Mondlaus

Kann mir jemand mal Literatur von diesem Jesper Juuls empfehlen bzw sagen, welches "das" Werk von ihm ist, das man gelesen haben muss? Hab den Namen jetzt schon öfters gehört.
Kind 2011
Kind 2014
...

Tini

Zitat von: Mondlaus am 07. September 2016, 12:08:44
Kann mir jemand mal Literatur von diesem Jesper Juuls empfehlen bzw sagen, welches "das" Werk von ihm ist, das man gelesen haben muss? Hab den Namen jetzt schon öfters gehört.

Juul hat so viele Bücher geschrieben, ich weiss gar nicht, ob es da überhaupt DAS Buch gibt. Ich finde "Dein kompetentes Kind" super.
She *7/2006
He   *7/2014

Hubs

Meph, ich hab mich gestern sicher etwas undifferenziert ausgedrückt.  Ich bin kein Lob-Gegner ;) positives Feedback auch in Form von Lob find ich schon richtig.  Aber in meinen Augen, da bin ich definitiv bei Juuls, ist Lob nicht das Allheilmittel und bringt das zweifelnde Kind nicht weiter. Besonders dann nicht wenn es selbst eine andere Sichtweise hat, ein anderes Gefühl als das Lob vermittelt. Das schließt alles schließt trotzdem ein positives Feedback nicht aus.
Hubs mit den beiden Buben *04/2009 *01/2012



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Meph

positives feedback ist lob, nur ein anderer begriff. und natürlich bringt ein einfach hingesagtes lob niemandem was. ein hingekliertes arbeitsblatt bleibt nu´nmal ein hingekliertes arbeitsblatt und würd ich da ein kind f+ür schönschrift loben wäre es schlichtweg gelogen und lügen zerstört beziehung.
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Jule-82

Also, mein Sohn ist ein absoluter Perfektionist. Bei Brettspielen, Memory etc. selbst beim Minigolf überblickt er die Situation, macht für sich selbst die Schwierigkeit der Aufgabe im Kopf fest, und wenn ihm das Ergebnis dann nicht passt oder es ihm nicht schnell genug umgesetzt  ist,dann bricht er in Tränen aus und wirft alles hin. Er ist ein furchtbar schlechter Verlierer. Das zieht sich eben auch durch die Schule. Bevor er z.B. mit seinen Hausaufgaben beginnt, überlegt er sich die Schwere der zu lösenden Aufgabe.
Wir überhäufen unseren Sohn nicht mit Lob, falls der Eindruck entstanden sein sollte.
Aber wir versuchen zu reflektieren. Natürlich freuen wir uns über gute Leistung, aber wenn die Note eine 3-4 wäre ( wir bekommen bei uns keine noten) dann sagen wir ihm auch, dass es ok ist und jedem mal was schief gehen kann.
Wenn uns auffällt, dass ihm ein Fehler immer wieder passiert, sprechen wir mit ihm darüber und versuchen eine Eselsbrücke zu finden.
Die Lehrer unseres Sohnes sind sehr verständnisvoll, und sagen ihm regelmäßig, dass er zum Lernen in der Schule ist und Fehler dazu gehören.
Wenn er Hausaufgaben vergisst, wird eine Entschuldigung erwartet, und dass sie selbständig nachgeholt werden. Aber es gibt keinen Ärger dafür.
Trotzdem hat mein Sohn Angst, wenn er ernsthaft krank ist und ich sage er bleibt einen Tag zu Hause, dass er dann ja den gesamten Unterricht zu Hause nacharbeiten muss, und geht lieber krank zur Schule.

BiDi

Zitat von: Jule-82 am 10. September 2016, 07:45:33
Natürlich freuen wir uns über gute Leistung, aber wenn die Note eine 3-4 wäre ( wir bekommen bei uns keine noten) dann sagen wir ihm auch, dass es ok ist und jedem mal was schief gehen kann.
Damit impliziert ihr aber genau das, was ihr vermutlich nicht wollt: Ein 3 - 4 bedeutet 'schiefgegangen' und darf darf 'mal' passieren, also keineswegs öfter.
Doch: Ihr baut Druck auf.
Zitat von: Jule-82 am 10. September 2016, 07:45:33
Trotzdem hat mein Sohn Angst, wenn er ernsthaft krank ist und ich sage er bleibt einen Tag zu Hause, dass er dann ja den gesamten Unterricht zu Hause nacharbeiten muss, und geht lieber krank zur Schule.
Und Du lässt ihn krank in die Schule? Er ist 8 Jahre, das ist nicht seine Entscheidung. Und wieso muss er den gesamten Unterricht nacharbeiten? Wenn die Krankheit mal länger als eine Woche dauert, empfiehlt es sich das ein oder andere Arbeitsblatt nachzuarbeiten - aber bei einem Tag? Das schnappen die Kinder doch nebenbei wieder auf.

Grüsse
BiDi



Mattis: * 3.2004
Moritz: * 4.2005

Tirachan1987

Versuche ihm vielleicht rational zu erklären, dass es natürlich sehr schön ist, wenn er bereits in jungen Jahren gute Noten bekommt - diese jedoch für den Werdegang in seinem Leben ohnehin erst eine Rolle spielen ab der 9 Klasse etwa! Natürlich soll er dadurch nicht faul werden und weiter fleißig lernen, aber vielleicht wird er so etwas entspannter.
Sonnige Grüße aus Augsburg =)

Jule-82

BiDi: Natürlich lasse ich ihn nicht krank in die Schule gehen! Nur mache ich mir halt schon Sorgen, wenn er lieber mit Kopfschmerzen und Margen-Darm in die Schule will, als anschließend alles nach zu holen.
Es wird bei uns in der Schule halt voraus gesetzt, dass der Unterrichtsstoff nachgeholt wird.
Dabei gibt es aber keine Zeitvorgabe.

Was bitte soll ich ihm denn sagen, wenn er heulend am Küchentisch sitzt, weil er einige Fehler mehr in den Test gehauen hat, als er es von sich gewohnt ist.....hör' auf zu heulen, die Zensuren sind eh erst wichtig, wenn die Schule fast rum ist!? Da versuche ich ihn doch lieber zu trösten, dass jedem Mal was schief gehen kann.


WäreHätte

Das Ganze kommt mir auch recht bekannt vor. Meine Tochter hat auch oft Bauchweh vor der Schule. Wenn ich sie frage ob sie sich wegen irgendwas Sorgen macht sagt sie nein.
Sie ist ein sehr ernstes Kind, die Schule ist ihr sehr wichtig und macht ihre Aufgaben auch recht gewissenhaft. Leider ist sie auch sehr verträumt, unaufmerksam, hat ein schlechtes Selbstbewusstsein und fühlt sich für alles was schiefgeht verantwortlich (genau wie ihre Mama). Wo sie noch kleiner war hatte sie mal eine Phase in der sie sich büschelweise die Haare ausgerissen hat, hatte sich zum Glück schnell wieder gelegt. Vor ein paar Wochen kam es bei der Freitag-Nachmittag-Betreuung zu einem Streit mit einem Jungen (wobei dieser anfing) und sie riß sich ein Büschel Haare aus - die Betreuerin war ganz erschrocken darüber.
Wir tun unser Möglichstes daß unsere Kinder starke Persönlichkeiten werden die mit viel Liebe groß werden und mit Selbstbewußtsein durchs Leben schreiten. Dummerweise klappt das irgendwie nicht und wir wissen nicht warum (wäre es anders gäbe es nicht so viele Erziehungsratgeber). Wir versuchen die schönen Dinge aus unserer Kindheit zu übernehmen und die Fehler unserer Eltern zu vermeiden, machen dafür unsere eigenen Fehler. Natürlich bricht es einem das Herz wenn das Kind unglücklich ist und oft kommen dann auch die Selbstzweifel (oje, was hab ich in der Erziehung nur falsch gemacht). Von Klein auf lieben Kinder ihre Eltern über alles und würden alles für sie tun (naja, ausser aufräumen vielleicht...) und ahmen Papa und Mama nach. Mit der Zeit entwickeln sie ihre eigene Persönlichkeit, einen eigenen Musikgeschmack usw. Das Leben wird ernster und sie müssen ihren Platz und Weg finden, jeder auf seine Weise. Wir können für sie dasein und in den Arm nehmen, aber es hilft auch nichts ihnen alles abzunehmen.
Ich denke mal Du hast schon versucht mit ihm vernünftig darüber zu reden. Er muß eigentlich nur wissen daß Du mit offenen Armen und Ohren für ihn da bist. Auch wenn es hart ist, aber er sollte da seinen eigenen Weg finden. Ist auf gewisse Weise ja auch gut so wenn es ihm nicht egal ist wenn er was falsch gemacht hat.
Zum Kinderpsychologen würde ich nicht gehen, damit bekommt er nur vermittelt: So wie Du bist bist Du nicht ok für uns. Ist zumindest mal meine Meinung.
Meine Prinzessin kann übrigens auch nicht verlieren. Sobald sie nur ansatzweise bei einem Spiel hinten liegt zieht sie Schnute und hat keine Lust mehr, egal wie oft ich ihr erzähle daß es doch nur um den Spaß während des Spiels geht.
Es gibt keine perfekten Menschen, nur perfekte Absichten.