Kooperationsklasse Grundschule (bayern)

Begonnen von hugomaus, 17. August 2015, 10:13:18

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hugomaus

da mein Sohn (Regelschulkind) ab September in die 3. Klasse gehen wird, und dieses Jahr die Möglichkeit bestand ihn für die Kooperationsklasse anzumelden, so haben wir das getan, und nicht gedacht, dass er tatsächlich in die Klasse kommt aufgrund der vielen Anmeldungen dafür. (anscheinend trägt sein sehr sozialvertägliches Wesen dazu bei, dass er ausgewählt wurde )

zur Info was eine Kooperationsklasse ist:
ZitatKooperationsklassen besuchen sowohl Schülerinnen und Schüler ohne als auch solche mit sonderpädagogischem Förderbedarf, wenn dieser nicht so umfangreich ist, dass er ausschließlich an einer Förderschule erfüllt werden müsste. Es wird nach dem Lehrplan der Grundschule bzw. nach dem Lehrplan der Mittelschule unterrichtet. Die notwendige Förderung für die jeweilige Gruppe wird durch die Mobilen Sonderpädagogischen Dienste erteilt.

Inhaltliche Grundlegung und praktische Handlungshilfen für ein integratives Modell im bayerischen Bildungswesen.


die Klasse besteht aus 18 Schülern, davon 14 Regelschulkinder und 4 mit Sonderpädagogischem Förderbedarf (es ist nicht bekannt, welche 4 Kinder Förderbedarf haben und das ist auch so gewollt und wäre mir persönlich eh egal). Laut Schule hat diese Klasse dann 4-6 Wochenstunden eine zweite Lehrkraft anwesend, wovon alle Schüler der Klasse profitieren können zB. durch Aufteilung in 2 Gruppen mit jeweils einer Lehrkraft. (genaueren Lehrplan bekommen wir ja erst im September da jetzt noch Ferien sind)

nun meine Frage, gibt es hier welche, deren Kind auch in einer Kooperationsklasse war und welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Die Klasse wird die 3. und 4. Jahrgangsstufe bestehen.

lg
Simon 26.4.2007 / Isabelle 09.01.2009

Honigbluete

Hier in NRW ist quasi jede Klasse so aufgestellt... nennt sich Gemeinsamer Unterricht (oder nannte, da es jetzt ja Inklusion heisst...?). Hier werden fast alle Kinder gemeinsam unterrichtet, teilweise mit Sonderpädagogen im Team, teils ohne. Nur ganz "schwere" Fälle bleiben an den Förderschulen...

Grundsätzlich ist es eine gute Idee, die Umsetzung ist größtenteils eine Katastrophe. Die Regelschullehrer sind nicht für die "Förderkinder" ausgebildet, es fehlt passendes Unterrichtsmaterial, die paar Stunden mit Sonderpädagoge sind Tropfen auf den heissen Stein. Es leiden oft die Förderkinder, aber auch die Regelschüler und die Lehrer. Was ich bisher mitbekommen habe, geht es nicht um ehrlich gemeinte Inklusion, sondern darum, Kosten zu sparen. Sonderpädagogen sind deutlich teurer als Grundschullehrer, Förderschulen ganz anders ausgestattet, was natürlich auch kostet. Es geht zulasten aller Beteiligten. Es mag sein, dass es auch Schulen gibt, die das gut umsetzen, und Schüler, für die das passt, aber es gibt auch immer Situationen, die ich mir für mein Kind nicht wünsche...

Ich hoffe sehr für euch, dass es bei euch besser läuft!

luisekusch

Bei uns ist es so, dass die Kinder nur gemeinsam Kunst, Musik und Sport haben.

Flower Eight Revival

#3
Zitat von: Honigbluete am 17. August 2015, 12:40:40
Hier in NRW ist quasi jede Klasse so aufgestellt... nennt sich Gemeinsamer Unterricht (oder nannte, da es jetzt ja Inklusion heisst...?). Hier werden fast alle Kinder gemeinsam unterrichtet, teilweise mit Sonderpädagogen im Team, teils ohne. Nur ganz "schwere" Fälle bleiben an den Förderschulen...



Da muss ich dir widersprechen.

1. Es ist nicht NRW weit so. In unsere Regelgrundschule gibt es pro Jahrgang eine einzige GU Klasse. Sie heissen nach wie vor "Gemeinsamer Unterricht".
2. Die Umsetzung ist leider nicht NRW weit gleich. In der Tat läuft leider einiges schief. Hier - unsere Stadt- wurde die Inklusion relativ gut umgesetzt. Unsere Klasse ist dauerhaft mit einem Lehrerteam bestehend aus einer speziell ausgebildeten Grundschullehrerin und einer Sonderpädagogin.  :) Weiterhin wurden für 2 Kinder je ein Schulbegleiter organisiert. Der Nachmittagsunterricht - Ganztagsklasse-  wird entweder von einer OGS Mitarbeiterin plus Sonderpädagogin, oder von 2 OGS Mitarbeiter gehalten. Ihr seht, hier sind dauerhaft immer 2 Fachkräfte dabei. Die Klasse war ursprünglich relativ klein (17 Kinder), mittlerweile sind es 22.

3. Selbst wenn man sich für eine Förderschule entscheidet, man hat fast gar keine Wahl mehr als den Weg der Inklusion zu gehen. Förderschulen werden schlicht geschlossen. Hauptsächlich solche mit dem Schwerpunkten: Sozial-Emotional, Lernen und Sprache.  :-\
Schwerpunkt Sprache wird meines Wissens nach gar nicht mehr gegeben, es sei den es gibt vor Ort noch eine Sprachheilschule. Förderschwerpunkt Lernen wird nur ab der 3. Klasse vergeben (Ausnahmen bestätigen die Regel) und der sozial-emotionale Förderschwerpunkt ist der am meisten vergebene Schwerpunkt. Meine Meinung nach. Jedenfalls werden die meisten Kinder mit diese Schwerpunkte im Rahmen des gemeinsamen Unterrichts eingeschult.
Was viele nicht wissen: diese Klassen erhalten mehr Materialgeld. Und wenn es so gut läuft wie bei uns, ist es eher so, dass sämtliche Kinder davon profitieren. Individuelle Förderung ist einer der Vorteile, was in einer normalen Regelschulklasse fast unmöglich ist.

Honigbluete

Ich finde Inklusion super, allerdings mit den Mitteln, Methoden und Fachleuten einer Förderschule. Davon würden dann tatsächlich alle Kinder profitieren. Sorry, wenn meine Beiträge zu diesem Thema so negativ sind, ich habe da einfach schon zu viel miterlebt, was ganz deutlich macht, dass dabei von Seiten der Politik das Wohl der Kinder Oberhaupt keine Rolle spielt. Die Akteure vor Ort versuchen, das Beste aus der Situation zu machen, kommen da aber auch an ihre Grenzen...

@Blume schön, dass es bei euch so gut umgesetzt wird.

@Förderschwerpunkte hier wird Lernen ganz massiv abgebaut, aber auch sozial-emotional. Eine Katastrophe für einige Kinder, für andere eine Chance...

Linchen81

#5
Dein sohn ist aber keines der förderkinder, oder?
Die meisten "anderen" Kinder finden den zweiten lehrer in der klasse toll. Die nicht Fördderkinder wollen häufig auch gerne mal mit in die Fördergruppe,  weil sie es spannend finden was da bei den anderen passiert. Nachteile gibt es für die eigtl nicht.  Entweder die Gruppe ist kleiner da zweigeteilt oder die Lehrer machen mal was zusammen so können beide nach allen schauen. 
Für die Förderkinder die sich im normalen Unterricht wirklich schwer tun sind die 4 Std Förderschullehrer +2std Förderung durch die GS häufig nicht ausreichend, finde ich.
Für die schwächeren der Klasse die eben den Förderbedarf diagnostiziert haben aber so gerade noch mitgekommen wären ist es schon ganz hilfreich.

Wenn dein Sohn kein Förderkind ist ist es meiner Meinung nach kein Nachteil in einer Koopklasse zu sein. Ein kleiner Vorteil ja, aber nicht großartig...
Hab editiert da mit Handy  :P

Papa

Ob das funktioniert, hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem der Klassenstärke.
In der Förderschule waren bzw. sind (noch) Klassenstärken von 5-8 Schülern üblich, je nach Behinderungsgrad der Schüler. Ein Sonderpädagoge ist permanent da, einzelne Schüler erhalten Unterstützung von zusätzlichen Kräften.

In der Inklusion gibt es fast normale Klassenstärken (22-28), wovon 1-4 behinderte Schüler sein können (so erlebe ich das hier jedenfalls). Die Schüler erhalten sogenannte "Integrationshelfer". Das sind Menschen ohne jegliche Ausbildung im sonderpädagogischen Bereich. Oft entwickelt sich solch ein Integrationshelfer eher zu einer Art persönlichem Diener, was für die Entwicklung der behinderten Kinder sehr negativ ist. Ich kenne Fälle, wo der Integrationshelfer überhaupt die einzige Kontaktperson war, da die anderen Schüler das behinderte Kind niemals einbezogen haben.
Sonderpädagogische Förderung findet nur noch stundenweise statt, teilweise im Klassenraum, teilweise in anderen Räumen (soweit vorhanden!), teilweise schlicht auf dem Gang.

Profitieren nun die behinderten Kinder von der Inklusion?
Wie immer: es kommt darauf an. Lediglich körperbehinderte Kinder in der Regel ja. Geistig oder mehrfach behinderte Kinder sehr oft nein. Was soll ein Kind auch in einem Unterricht, dem es nicht ansatzweise folgen kann? Was soll das nützen? Förderschullehrer sind zu oft nicht da und die Grundschullehrer sind nicht dafür ausgebildet.

Profitieren die nicht behinderten Kinder von der Inklusion?
Ja, sie lernen, dass die Bandbreite von Leben sehr viel größer ist. Sie könnten mehr Toleranz und EInfühlungsvermögen lernen, allerdings bleibt das meist die Theorie.
Nein, denn Unterrichtsinhalte bleiben oft auf der Strecke.
Gruß vom Papa!

Tochter geboren 2008
Sohn geboren 2010

hugomaus

vielen Dank für die Anworten. nein mein sohn ist ein ganz normales regelschulkind.

die zweite Lehrkraft die ein paar stunden die Woche anwesend sein wird, ist eine Lehrkraft der förderschule und kennt die kinder die in die klasse kommen dann auch entsprechend bzw hat durch ihre Ausbildung entsprechende Fähigkeiten erworben.

soweit ich das verstanden habe, sind die kinder die sonderpädagogischen bedarf haben, in der Lage dem unterricht folgen zu können, denn sonst würden sie nicht die in die normale Grundschule zugeführt werden.
Simon 26.4.2007 / Isabelle 09.01.2009

Cornelia x Marie Sophie

Ich weiß nur eines  - in der Konstellation wuerde ich unsere behinderte Tochter nicht unterrichtet haben wollen... Denn was passiert z. B. in den Stunden, in denen die zusätzliche Kraft nicht anwesend ist?
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"Wir sind geboren worden, um den Glanz Gottes, der in uns ist, leuchten zu lassen" (Nelson Mandela)

Flower Eight Revival

#9
@papa
Zitat von: Papa am 25. August 2015, 00:46:35
Profitieren nun die behinderten Kinder von der Inklusion?
Wie immer: es kommt darauf an. Lediglich körperbehinderte Kinder in der Regel ja. Geistig oder mehrfach behinderte Kinder sehr oft nein. Was soll ein Kind auch in einem Unterricht, dem es nicht ansatzweise folgen kann? Was soll das nützen? Förderschullehrer sind zu oft nicht da und die Grundschullehrer sind nicht dafür ausgebildet.


Viele Grundschullehrer werden mittlerweile zusätzlich ausgebildet. das läuft leider nicht einheitlich, deswegen noch sehr unzufriedenstellende Situation, ja.

Mehrfachbehinderte Kinder bzw. geistig behinderte Kinder: das darf man nicht verallgemeinern, eine differenzierte Sichtweise ist dabei nötig.
Mehrfachbehinderte wie schwer spastische, absolut geistig behinderte Kinder, die ihr Leben eher im liegen führen, werden nicht in Regelgrundschulen eingeschult. Das schaffen die Grundschulen nicht, weder personell noch räumlich/sachlich,  oft wegen fehlende Therapierräume die dringend benötigt werden. Das sollte eigentlich  klar sein und es ist arg irritierend, dass das noch so oft von Eltern (Medien) als Gegenargument zum Thema Inklusion genommen wird. Kann ich nicht ernst nehmen.
Ich habe in absolut keine Grundschule oder weiterführende Schule einen schwer mehrfachbehindertes Kind gesehen. Und das wird auch nie der Fall sein. Diese Kinder sind vom Grundgedanken der Inklusion nicht wirklich eingeschlossen. Weder Eltern noch Lehrer werden daran je etwas ändern, aus gutem Grund.
Übrigens, geistig behindert ist nicht gleich geistig behindert. Es kann sich dabei um ein vollkommen normales Kind/Individuum handeln, der durchaus am Alltag teilnehmen kann, der durchaus in der Lage ist lesen und schreiben zu erlernen, der jedoch nie in der Lage sein wird ein in Deutschland anerkanntes Schulabschluss etc. zu erlangen. Diese Kinder profitieren immens von einem normalen Schulalltag: im sozialen Bereich, ja auch im geistigen. Voraussetzung ist natürlich dabei der richtige fachliche Einsatz und da stimme ich absolut zu, in dem Bereich schaut es noch traurig aus.  :-\  Kinder mit schwere Behinderungen werden weiterhin oft in Förderschulen unterrichtet. Ihre Eltern sind zu Recht besorgt, dass ein normaler Alltag in einer Regelschule für sie nicht möglich ist.
Und dann kommen die "Grauzonen"-Kinder: autistische Kinder mit durchschnittliche/normale Intelligenz, Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten, Kinder mit Sprachauffälligkeiten, Kinder mit körperliche Behinderungen, Kinder mit schwere Epilepsie (solche armen Kinder die im Alltag einen Helm tragen müssen, um Verletzungen zu vermeiden), Kinder mit diverse Stoffwechenerkrankungen, die bisher in Förderschulen aus dem Grund unterrichtet wurden, weil sie in Regelschulen keine Unterstützung erhalten haben,  Kinder mit eine Lernschwäche etc. pp. Diese Kinder werden überwiegend immer mehr ihm Rahmen der Inklusion in Regelschulen unterrichtet. Um diese Kinder geht es hauptsächlich. Und ja - ich wiederhole mich- wenn (und hier hapert es leider noch sehr stark) sämtliche Umstände passen- ist die Inklusion der richtige Weg in die Normalität. Dieses Recht haben sie.

Cornelia x Marie Sophie

Du hast Recht, Blume  - wenn alle Umstände passen... Unter den aktuellen Gegebenheiten ist Marie an ihrer Förderschule wesentlich besser aufgehoben.
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Flower Eight Revival

Deshalb erzähle ich gerne von unseren Erfahrungen. Es gibt sie, die gut umgesetzte Inklusion. Kein Ammenmärchen  ;).

Cornelia x Marie Sophie

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