8 jähriger im Ausnahmezustand ...

Begonnen von Shadowblues, 22. April 2013, 21:37:28

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Shadowblues

Hallo,

ich denke ich brauche mal nen guten Rat:

Wir haben 3 Kinder - 4, 8, 12 - und der Mittlere macht Probleme.

Kurz umrissen:
Hörstörung - er kann, wenn er sich konzentriert, wenn nicht dann versteht er eher schlecht. Mittelkind, daher etwas schwierige Situation in der Familie.

Er hatte früher eine Sprachstörung (Zungenband verwachsen und Kinderarzt hat erst auf massiven Druck von mir eingelenkt) und wurde viel gehänselt. Er traute sich darauf auch nichts mehr selber zu aus Angst ausgelacht zu werden. Die Störung würde mit viel Therapie behandelt, er spricht nun normal. In der Anfangsschulzeit ging er auf eine Sprachförderschule, jedoch ist er da nach ca. 6 Monaten runter weil er den anderen Kindern zu weit voraus war. Danach Wechsel in die normale Grundschule. Teilweise gute, teilweise schlechte Noten. Mit viel Zusatzlernen in Deutsch haben wir die 2- stabilisiert. Mathe ist er sehr begabt, deutsch ist nicht so sein Fall.

In der Familie lässt er sich leider vom grossen Bruder ausnutzen aber es gibt auch viele Reibereien zwischen ihnen. Die Kleine Schwester probiert er dagegen immer zu kontrollieren / zu lenken. "Tu dies, tu das, ... "

Er hat mein cholerisches Temperament und meine Gefühlsausbrüche geerbt, hat aber zumindest die Wutanfälle halbwegs unter Kontrolle.

Er ist im Handball und spielt Trommel. Handball macht er wirklich gerne obwohl er auch motorisch ein paar Probleme hat. Wieso er an der Trommel festhält weiss ich nicht - er übt nur unter Druck, aber möchte es unbedingt weitermachen.

Aktuelle Probleme:

1. Er kann sich schlecht konzentrieren. Hierzu bekommt er ab dieser Woche Ergotherapie. Ich traue mich kaum ihm neben dem anderen Stress noch zusätzliche Übungen zu geben.

2. Die kleinste Schwierigkeit in den Aufgaben bringt ihm zum verzweifeln. Er heult, wirft alles weg, bockt usw. Wenn man ihn dann nach 2-3 Stunden wieder aus seinem Loch raus hat, merkt man - er kann es doch! Und zwar alleine. Aber erstmal tillen und verzweifeln.

3. Er hält sich an keine Regeln. Verbote ignoriert er. Obs nun Lesen im Bett ist, zu lange Computerspielen, Comics lesen statt aufräumen, Tisch abräumen, Hausaufgaben machen,... alles geht nur mit sehr viel Druck und ausgebüxt wird immer. Und wenn er erwischt wird, heult er stundenlang und macht Theater.

4. Schlecht schlafen. Er kann schlecht einschlafen und sucht sich dann immer eine andere  Beschäftigung im Bett. Da kommt er nach Mama - die nimmt sich auch immer die Tagesarbeit mit ins Bett (gedanklich) und kann nicht abschalten.

5. Freunde - Fehlanzeige. Dadurch, dass er immer seinen Willen durchsetzen will, spielt kaum jemand mit ihm.

Obwohl ich viele der Probleme selber kenne - er hat halt meine Gene - so weiss ich nicht wirklich wie ich ihm helfen soll. Weiss jemand einen Rat?

Gruß
Roger

Sisam

Hallo Roger, herzlich willkommen hier. :)

Was Du da beschreibst, hört sich unwahrscheinlich anstrengend an. :-\

Wie Du den Kinderarzt beschreibst, scheint das Vertrauen ein wenig getrübt zu sein. Vertrauen ist aber gaaaanz wichtig. Käme evtl. ein Wechsel in Frage?
Sind über das Zungenband hinaus weitere Diagnostiken vorgenommen worden?
Zitat von: Shadowblues am 22. April 2013, 21:37:28
2. Die kleinste Schwierigkeit in den Aufgaben bringt ihm zum verzweifeln. Er heult, wirft alles weg, bockt usw.

Alles andere, was Du beschreibst kann sowohl Ursache als auch Folge einer totalen Hilflosigkeit/Überforderung sein. Ich denke, das solltet ihr abklären. Mir kommen Fragen nach auditiver Wahrnehmungsverarbeitungsstörung, evtl. ADS, Legasthenie, daraus können folgen Lernstörungen, auffälliges Sozialverhalten, verschiedenste psychische Störungen,... muss nicht sein, sollte aber ggf. geklärt werden.

... ja und der/die eine oder andere hier wird vielleicht schmunzeln - ich denke auch an umgeschulte Linkshändigkeit, weil ich hier auch fast meinen Sohn wiedererkenne:
Zitat von: Shadowblues am 22. April 2013, 21:37:28Er ist im Handball und spielt Trommel. Handball macht er wirklich gerne obwohl er auch motorisch ein paar Probleme hat. Wieso er an der Trommel festhält weiss ich nicht - er übt nur unter Druck, aber möchte es unbedingt weitermachen.
Bei ihm waren es Fußball und Geige.




Zitat von: Shadowblues am 22. April 2013, 21:37:28
1. Er kann sich schlecht konzentrieren. Hierzu bekommt er ab dieser Woche Ergotherapie. Ich traue mich kaum ihm neben dem anderen Stress noch zusätzliche Übungen zu geben.

Unterstützende häusliche Übungen sind eigentlich ganz wichtig in der Therapie, aber wenn die gefühlte Situation bei Euch gerade so schwierig ist, kann der Schuss auch nach hinten losgehen. Besprecht ausführlich mit der Ergotherapeutin / dem Ergotherapeuten, wie ihr unterstützend zu Hause arbeiten könnt und vor allen Dingen auch, wo Eure Grenzen sind.



Auch könnte evtl. eine Elternberatung im SPZ helfen.
Zitat von: Shadowblues am 22. April 2013, 21:37:28Obwohl ich viele der Probleme selber kenne - er hat halt meine Gene - so weiss ich nicht wirklich wie ich ihm helfen soll.
Vielleicht hilft es ja schon ein wenig, wenn Du weißt, wie Du Dir selber helfen kannst ruhiger und gelassener zu werden, Du schreibst ja, dass Du selber auch ein cholerisches Temperament hast. :-\
Die von mir oben genannten Störungen können auch erbliche Faktoren haben, vielleicht erkennst Du Deinen Sohn deshalb so wieder, vielleicht macht diese Gleichheit es aber auch schwerer. ;)

So, nun hast Du erstmal Futter zum Nachdenken, ich muss jetzt schlafen. :P

Ich wünsche Euch baldigst etwas ruhigeres Fahrwasser.
Herzliche Grüße
Sisam
früher: Sisamlimamzuri, die Unaussprechliche ;D
Wer den Kopf in den Sand steckt, hat schlechte Aussichten ;)

Shadowblues

Hallo,

danke erstmal fuer das Feedback. Und das bringt mich gleich auf nochmal nen Punkt: Nein, eigentlich keine umgeschulte Linkshändigkeit. Er hat sich immer noch nicht wirklich entschieden ... also gut, einiges macht er jetzt mit Rechts - aber ohne dass wir Vorgaben gemacht haben.

Gruß
Roger

Sisam

Lies mal hier:
http://www.erziehung-online.de/forum/allgemein/der-(selbst-)umgeschulte-linkshander/ :)



Aber nicht, dass Du das falsch verstehst: Ich will hier keine Internet-Fern-Diagnosen stellen, da sei ich ferne von, das müssen schon Profis machen.
Aber manchmal ist es ja hilfreich, zu wissen, wonach man suchen kann, bzw. was man ausschließen sollte. ;)
früher: Sisamlimamzuri, die Unaussprechliche ;D
Wer den Kopf in den Sand steckt, hat schlechte Aussichten ;)

zuz

Ui, da habt Ihr aber einige Baustellen! :/
Sicher für Euch alle sehr anstrengend - und am meisten wohl für ihn selbst.

Einige Ideen dazu:
zu 2 (Schwierigkeiten)
Ich würde ihm Auswege anbieten, und zwar schon vorher. Also mal in Ruhe mit ihm besprechen, was Du beobachtest, dass er austickt, wenn es schwierig wird. Ihm sagen, dass Du das von Dir auch kennst. Und einen Ausweg finden: Dass er das dann erstmal sein lässt, etwas anderes macht, später probiert. Oder um Hilfe bittet. Ich denke, der erste Schritt ist, er muss es rechtzeitig merken. Ihr könnt ein Zeichen vereinbaren, so dass Du ihn kurz daran erinnern kannst, wenn er wieder mal kurz davor steht, die Nerven zu verlieren. Ihm dann z.B. die Hand auf die Schulter zu legen und zu sagen: Ich glaube, Du brauchst jetzt eine kurze Pause. So kann er lernen, damit umzugehen.
Ganz wichtig auch: Ihn bestärken, dass er es bestimmt lösen kann, nur eben nicht gerade jetzt. Denn ich denke, dieses Vertrauen braucht er, sein Selbstvertrauen scheint gerade nicht so groß.

Zu 3 (Regeln): Ich würde ihm wohl mehr Freiheiten lassen, aber eigene Grenzen enger stecken. Also z.B. Aufräumen: Du setzt ihm eine Frist, bis wann aufgeräumt sein muss. Er darf um Hilfe bitten, wenn er allein nicht klarkommt (aber nur echte Hilfe wird gewährt, nicht dass Du es für ihn machst! Also z.B. Strukturhilfe). Was er nicht aufräumt, wird in eine Kiste geapackt und für eine Woche in den Keller gestellt - weil DU keine Lust auf Chaos hast, saubermachen musst und auch nicht aufräumen willst. Entscheidung liegt dann bei ihm. Nach einer Woche neue Chance.
Tisch abräumen: Warum soll er das tun? Eher aus pädagogischen Gründen oder brauchst Du WIRKLICH seine Hilfe? Falls ersteres: Lass es lieber, das wird nichts. Falls zweiteres: Dann bleibt das Geschirr wohl stehen, niemand räumt es auf. Dumm, dass es am nächsten Morgen kein Frühstück geben kann. So eine Aktion erfordert ein wenig Mut, kann aber helfen. Wichtig: Keine Vorwürfe à la: Siehste, wegen DIR können wir jetzt nicht... sondern einfach: Oh, schade, jetzt kann ich gar kein Frühstück machen, weil kein Platz ist.
HA: Feste Zeiten ausmachen, danach werden keine HA mehr gemacht. Seine Verantwortung, wie weit er dann kommt. Strukturelle Hilfe anbieten, Aufgaben besprechen, ihn dann aber allein machen lassen oder erst nach einer vereinbarten Zeit wieder draufschauen.
Auf Diskussionen würde ich mich möglichst gar nicht einlassen. Gemeinsam Regeln aufstellen, die er auch versteht, dann nur noch daran erinnern, ihm nur sagen, DU willst es jetzt nicht so machen wie er sich das vorstellt und dann einfach mal abwarten, was passiert. Somit ersparst Du ihm Vorwürfe (die sein Selbstbewusstsein schwächen), lässt ihn Erfahrungen sammeln (auch negative können ihn vorwärtsbringen) und zeigst ihm, dass er Fehler machen darf.

4 (Schlafen)
Evtl.findet Ihr ein Ritual, wie er runterkommen kann? Z.B. einen Sorgenstein, dem er alles erzählen kann und der dann bewusst weggelegt wird? Oder kleine Wolken, auf die er seine Sorgen setzt und sie dann wegpustet (also nur in der Fantasie).

1 Konzentration: Eigentlich wie 2. Zusätzlich: Bewusst Pausen einplanen. Wenn er merkt, er wird hibbelig, soll er aufstehen, zum Fenster gehen, Kniebeuge... möglichst was komplett anderes als das, was er gerade gemacht hat. Also bewegen statt sitzen, Ohren beschäftigen statt Augen usw. Pausenzeiten aber festlegen, also z.B. 2 Minuten, dann geht es weiter (evtl. mit Sanduhr, die er umdreht). So hat er Kontrolle darüber.

Zu Freunden: Das finde ich das Schwierigste. Ich würde aber nicht sagen: Wegen seiner Art. Denn alle Kinder in dem Alter haben noch Defizite in der Sozialkompetenz. Ich würde mal gezielt Kinder einladen (vom Trommeln/Handball vielleicht?) und mit einem Ohr mithören, was so passiert. Dann gezielt darauf ansprechen, was Du beobachtet hast, ihn die Situation schildern lassen, erzählen, wie Du vielleicht reagiert hättest. Nicht belehrend, eher als Coach.

dragoness

#5


Ich hoffe, dass ihr für alle Situationen baldmöglichst eine Lösung findet, damit Euer Familienleben wieder etwas ruhiger wird  :)