Online-Spiel-Sucht / Beschaffungskriminalität

Begonnen von kaie, 20. November 2014, 11:06:55

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kaie

Liebes Forum,

ich habe gestern im Zimmer meines Sohnes (14,5) unzählige itunes-Karten entdeckt - bestimmt im Wert von 1000 EUR. Ich habe ihn darauf angesprochen und nach anfänglichem Leugnen ("alte und benutzte Karten von Freunden") brach es aus ihm heraus:

Er hat uns das Geld im Laufe der letzten 12 Monate gestohlen und zum Spielen von "Clash of Clans" eingesetzt und um sich Süßigkeiten zu kaufen. Er weinte, schämte sich furchtbar und gab freiwillig sein Smartphone und sein ipad ab (PC/Laptop  hat er nicht). In einem rd. 4 stündigen für ihn sehr unangenehmen Gespräch mit ihm und meiner Frau zeigte er sich sehr einsichtig und reumütig, war aber - glaube ich - letztlich froh, dass wir ihm nicht den Kopf abgerissen haben und ihm gezeigt haben, dass wir ihn trotzdem lieben.

Sein Verhalten in den letzten Monaten hätte uns natürlich stutzig machen müssen (Schulleistungen sackten ab, schlechte Laune nach der Internet-Nutzung usw.) - aber man ist ja selber sooo bequem, dass man die Zeichen nicht erkennen will. Das mit dem Geld haben wir nicht wirklich mitgekriegt, weil wir am Monatsanfang immer das Bargeld für den ganzen Monat in einen kleinen Safe legen und meine Frau und ich uns ohne Absprache daran bedienen - er hat irgendwie die Kombination ´rausgekriegt.

Wir Eltern haben uns noch nicht entschieden, welche Konsequenzen sein Handeln haben sollen, tendieren aber zu Folgendem:

* Keine Bildschirmgeräte bis Weihnachten außer für schulische Dinge unter strenger Kontrolle und nur zeitweiser Herausgabe der Geräte durch uns (hin und wieder TV zusammen mit uns ist erlaubt).
* Nach Weihnachten: Rückgabe der Geräte und limitierte Internet-Nutzung von max. 2 Std.  (am Wochenende vielleicht auch etwas mehr) - Nachts: Abgabe der Geräte
* In der "gewonnenen" Zeit muss er schulische Dinge erledigen, Lesen und sich "konstruktiv" langweilen (vielleicht entstehen dann ja Ideen für die Freizeitgestaltung)
* Das Geld kann er sicher nicht zurückzahlen - dafür ist es zu viel. Er könnte aber wöchentlich im Haushalt helfen, was er vorher nicht tun musste (entweder feste Aufgaben oder "auf Abruf").
* Halbierung des Taschengeldes für 3 Monate (12 statt 25 EUR/Monat).

Fragen an Euch:
Ist das zu milde?
Meint ihr, wir müssten einen Psychologen/Suchtexperten hinzuziehen?

Vielen Dnk für jede Anregung.
Grüße von
Kaie


lotte81

Zunächst einmal : Ich würde mich schon an eine professionelle Beratungsstelle wenden. Im besten Fall unnötiger Weise, aber da bekommt ihr mit Sicherheit wertvollen Tips. Wenn es wirklich um eine Sucht geht ist es ja mit Regeln/ Strafen nicht getan  :-\ Lasst euch da helfen und beraten. Evtl. damit man sich auch über die Hintergründe klar wird und auch er ein Gespür für sich bekommt.
Mir fällt es schwer das Ausmaß aus der Entfernung abzuschätzen. Aber ich denke im Zweifelsfall lieber einmal zu viel professionelle Hilfe holen! Oft liegt Sucht auch im "Menschen" drin und verschiebt sich dann irgendwann. Von daher wäre es mir zu heikel da einen Alleingang zu wagen. Aber ich bin da auch gebranntes Kind..... Kann aber auch sagen: Es gibt gut Beratungsstellen und Hilfsangebote und da ist überhaupt nichts, für das man sich "schämen" muss.....
Evtl. erst mal in eine "Lebensberatung"/ "Erziehungsberatung" oder eben direkt zu einer entsprechenden Stelle (hier gibt es sogar extra Beratung für "Spielsucht"/PC)

Die "Strafen" an sich: Ich denke, dass er das Geld in seinem Rahmen "zurückzahlt" (also über die Taschengeldkürzung und Hausarbeit) ist OK. Er sollte aber noch Handlungsfähig bleiben it dem REst Geld...keine Ahnung, aber 12 Euro finde ich schon "hart" - andererseits sind 1000 Euro auch hart..... Vielleicht ist es ja sinnvoller so was zu sagen wie: Wenn du was brauchst, sprich mit uns. Dann hat er auch eine Chance für sinnvolle Freizeitgestaltung: eislaufen, Kino etc. kostet ja auch alles. Gleichzeitig bleibt ihr im "Kontakt" und er sieht,d ass er fragen kann und dann Hilfe bekommt.

Den REst finde ich eher "normal". Dass man das Kind in dem Alter noch kontrolliert in Zeit und Art der Internetnutzung und auch die Freizeitgestaltung ist ja keine Strafe  ;) ABER!!! ich denke auch nicht, dass man ihn nun bestrafen muss. Das wegsperren der Geräte sehe ich jetzt erst mal als Schutz an, nicht als Strafe. Einfach, weil es mir auch erst mal schwerfallen würde da jetzt ein Maß zu finden. Evtl. könntet ihr 3 ja auch gemeinsam über "Regeln" nachdenken? Ihn also mit in die Verantwortung nehmen.... Aber wie gesagt, mir würde es grad in Bezug auf "Suchtverhalten" auch schwer fallen, da nun das richtige Maß zu finden, im schlimmsten fall ist das Problem in 4 Monaten sonst wieder da.... Aber auch da wird euch eine Beratungsstelle sicher unterstützen.

Nun kommt das große ABER: Er lernt so ja immer noch nicht vernünftig mit den Sachen umzugehen und das Grundproblem, warum er da so vertieft drin war ist nicht gelöst und somit eine Wiederholung wahrscheinlich (vielleicht auch in Bezug auf was anderes,...die Palette an möglichen Süchten ist ja leider groß) ...von daher wäre wir wieder bei der professionellen Hilfe

Evtl. wäre es auch sinnvoll mit ihm noch was gemeinsam zu überlegen, was ihm gefallen würde. Also z.b. ein Sportverein, Fußball, Gitarre.... vielleicht gibt es etwas, was ihn interessieren würde und "ausfüllt" und gleichzeitig vielleicht einen Tag die Woche festlegen an dem man was gemeinsam mit dem Sohn macht (klettern gehen, Kino, shoppen, Geocatchen....keine Ahnung was 14jährige so interessiert  ;D)

Also statt strafen unterstützen, aber eben nicht in die Richtung, die die Sucht fördert......

Je mehr ich drüber nachdenke, desto besser gefällt mir eure Reaktion...dass ihr ihm nicht "den Kopf abgerissen" habt oder irgendeine Strafe wie "Hausarrest bis Pflaumenpfingsten"..... Ich denke viel wichtiger als ihm da nun zu zeigen "wo der Hammer hängt" ist ihm zu zeigen, dass er mit allem zu euch kommen kann und ihr ihn liebt und zu ihm steht und er keine Angst haben muss!!!
03/2006 ♂️
03/2008 ♀️
10/2018 ♀️

zuz

Ich unterschreibe voll und ganz bei lotte81.
Toll, wie besonnen Ihr reagiert habt und ich finde Eure ersten Ideen, damit umzugehen, auch sinnvoll. Es wirkt einfach mehr wie Hilfe für ihn als wie Strafe, und ich denke, das ist sicher der richtige Ansatz.
Ich würde aber eben auch sagen, auf jeden Fall mal eine professionelle Beratung in Anspruch nehmen. Das kann ja auch erst mal ohne ihn passieren, aber mir wäre es auch zu heikel, das als "Jugendsünde" abzutun, eben weil es sich um Suchtverhalten handelt. Das kann sicher harmlos und Jugendsünde sein, aber es kann eben auch mehr dahinterstecken.

kaie

Vielen Dank für Eure schnellen Reaktionen.

Hausarrest wäre tatsächlich quatsch, weil wir uns natürlich freuen, wenn er sich mal mit Freunden trifft. Er hat auch Hobbys: Er geht 1-2 x pro Woche zum Sport (rudern) - wenn nicht gerade Ferien sind oder er krank ist - und er spielt Klavier (allerdings eher sporadisch  -1 x pro Woche Unterricht und 10 Min. am Tag üben - wenn er und wir dran denken). Beides macht er zwar nicht sehr gerne aber wenn wir ihn fragen, ob er was anderes machen will, kommen auch keine Ideen.

Extra Geld für soziale Dinge (mit Freunden Eislaufen, Kino, Snacks) gibt es bei uns ohnehin zusätzlich zum Taschengeld - als Anreiz sich überhaupt zu verabreden.

Ich denke, das mit der Beratungsstelle werde ich mal in Angriff nehmen. Ich vermute, die Jugendämter können einem da weiterhelfen...

Wir hatten auch schon überlegt, ihn auf eine Kur zu schicken, weil es natürlich noch andere Baustellen gibt: Ernährung (verweigert Gemüse, würde am Liebsten nur Junk essen - dadurch immer an der Grenze zum Dicksein); Einstellung zur Schule, zu Pflichten und zum Leben überhaupt.

Grüße
Kaie

Karlanda

Ich finde Eure Reaktion wirklich gut und weiß nicht, ob ich das so hinbekommen hätte - ...aber ich bin da eben leider mittlerweile auch ein gebranntes Kind und reagiere bei Dingen, die mich an "alte Muster" erinnern schnell mal über :P

Eine 3-monatige Taschengeldkürzung finde ich durchaus angemessen, Beteiligung an der Hausarbeit sowieso (sollte in dem Alter aber eigentlich auch so selbstverständlich sein, denke ich).
Wenn der Umgang mit Geld auch in Zukunft ein Problem sein sollte, könnte es vielleicht auch helfen, wenn er eine Art "Taschengeld-Haushaltsbuch" führen würde - nicht in erster Linie, damit ihr das kontrolliert, sondern eher zur Selbstkontrolle.

Die "Gerätezeiten" zu reduzieren/ zu kontrollieren finde ich auch richtig, und auf jeden Fall sinnvoller, als sie ganz zu streichen, da das Ziel ja sein muss, dass er den "richtigen Umgang" damit lernt.

Ich finde lottes Rat, sich an eine Beratungsstelle zu wenden sehr gut, weil es Euch sicherlich helfen kann, die Situation einzuschätzen ( - also wie stark suchtgefährdet Euer Sohn tatsächlich ist - ) und ggf. rechtzeitig zu erkennen, wenn dieses oder ein ähnliches Problem (- Stichwort: Suchtverlagerung - ) wieder auftritt.

lotte81

Zitat von: Karlanda am 20. November 2014, 12:27:21
Ich finde Eure Reaktion wirklich gut und weiß nicht, ob ich das so hinbekommen hätte - ...aber ich bin da eben leider mittlerweile auch ein gebranntes Kind und reagiere bei Dingen, die mich an "alte Muster" erinnern schnell mal über :P


So gehts mir auch....und da muss ich dran arbeiten....denn realistisch gesehen ist es nun mal wahrscheinlich,d ass wenigstens eins meiner Kinder mich auch mal in solche Situationen bringen kann..... Und ich hoffe einfach dann "richtig" und ruhig reagieren zu können.....

Zum Thema Kur: Ich denke wenn macht so was nur als "Mutter Kind Kur" oder "Vater Kind Kur" Sinn....Allerdings ist er dafür wohl schon vom Alter her schwierig...da ist in der Regel mit 13 Ende....ABER in Härtefällen - was bei Suchtverhalten sicher der Fall sein kann! Und vielleicht auch bei stärkerem Übergewicht- zahlt auch da die Kasse noch.....
Zumal ich da dann wirklich erst mal schauen würde, wo die "vorrangige" Baustelle liegt. Als ich als "Angehöriger" mal in einer Suchtklinik zum Angehörigenseminar war, waren auch da durchaus junge Erwachsene (Spielsüchtige) - alleridngs immer noch deutlich älter als dein Sohn mit mit deutlich schlimmeren Verläufen.....
ABER es gibt sicher auch noch andere Möglichkeiten.... Vielleicht hängt ja das "verkriechen" am PC und das Essenverhalten/ Übergewicht auch zusammen..... Bei uns gibt es extra Programme für Jugendliche zum Thema "Gewichtsreduktion" (oft von Krankenkassen)...da wird dann gekocht, Sport gemacht, zusammen geredet (Gesprächrunden), es gibt psychologische Beratung etc. etc.
Das gleiche gibt es zum Thema Internetsucht......
und zu vielen verschiedenen anderen Baustellen  ;)
Und oft hängt ja alles in einem Kreislauf zusammen, den man so erst mal nicht überblickt, wenn man drinsteckt.
03/2006 ♂️
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10/2018 ♀️

kaie

@Lotte: Was heißt "bei uns". Wir wohnen in Berlin und da müsste es ja sowas dann auch geben. Habe online nichts gefunden. Wir sind bei einer eher kleinen Krankenkasse, die so was wohl eher nicht anbietet.

lotte81

Bei uns heißt, in unserer Stadt...und die ist weit kleiner als Berlin  ;) In Berlin sollte sich vermutlich alles finden. Evtl. mal bei der Lebensberatung von Diakonie oder Caritas nachfragen was es da genau in der Umgebung gibt..... Bzw zum Thema Übergewicht den Arzt oder Krankenkasse bzw. Krankenhäuser (hier gibt es eine Adipositas Stelle im KKH -ABER! Ich weiss ja nicht ob es bei deinem Sohn so extrem ist)
03/2006 ♂️
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10/2018 ♀️

Karlanda

Du kannst auch mal auf den Seiten Eures zuständigen Bezirksamts unter "Jugendamt" -> "Erziehungs- und Familienberatung" gucken.