Mein Sohn hat seltsame Gedanken

Begonnen von Timo67, 09. Februar 2015, 09:02:01

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Timo67

Hallo,

Ich habe einen 11 Jährigen Sohn. Seine Mutter und ich leben seit 8 Jahren getrennt.
Wir waren nicht verheiratet.
Von Beginn an haben wir dir Regelung, dass der Junge 6 Tage lang bei der Mutter ist und dann 4 Tage bei mir. Das ist auch mein Arbeitsrhythmus. 6 Tage arbeiten, 4 Tage frei.
Da die Mutter 20 km von mir entfernt lebt, muss ich meinen Jungen dann immer zur Schule fahren und wieder abholen. Das ist aber kein Problem. Als die Mutter eines Tages wegziehen wollte, mein Junge aber nicht von seinem Vater getrennt werden wollte, sprach mir ein Gericht das geteilte Sorgerecht zu. Mit der Auflage für die Mutter: Entweder zieht sie ohne den Jungen weg (er würde dann bei mir bleiben), oder sie bleibt in einem Radius von 25 Km Entfernung zu mir.

Um uns einschätzen zu können:
Mamas Einstellung ist: Eine Note 4 ist besser als eine Note 5!
Papas Einstellung: Eine Note 4 ist schlecht!
Trotzdem würde ich sagen, dass ich kein strenger Vater bin.

Jetzt zu meinem Problem:
Seit einiger Zeit sagt mein Junge laufend:  Er hätte merkwürdige Gedanken. Er denkt das er die Klassenarbeit verhaut. Das er kein guter Junge ist, weil er manchmal länger am PC sitzt. Das er beim Fußballspiel am Wochenende keine Leistung bringt weil er nicht einschlafen kann am Abend davor usw. usw...

Wenn er bei der Mama ist, ruft er mich laufend an um Fragen zu stellen wie z.B.:
Ist es okay wenn ich noch Fanta trinke nachdem ich mir die Zähne geputzt habe um ins Bett zu gehen.
Ist es okay wenn ich noch TV schaue.
Ist es okay wenn ich noch eine halbe Stunde am PC gehe?
Ist es okay wenn ich die Hausaufgaben erst heute Abend mache?....usw...

Für ganz banale Sachen ruft er laufend an und fragt nach.
Ich versuche dann immer ganz ruhig mit ihm eine Antwort zu finden.

Wie soll ich dieses Verhalten deuten?

Vielen Dank für eure Antworten...

Coney

Hallo und herzlich Willkommen,

klingt als wäre Dein Sohn in vielen Bereichen etwas verunsichert. Vielleicht helfen dabei ein paar Regeln? Also bzgl. süßen Getränken nach dem Zähne putzen, Bettgehenszeit und wann Hausaufgaben gemacht werden kann man ja einfache, feste Abläufe einführen, dann muss er nicht dauernd fragen. Meiner Tochter hilft das, sie weiß einfach Bescheid, wie der Tag im groben läuft.

Und zu seinen Unsicherheiten bzgl. Leistungen in der Schule usw.: Ich würde versuchen, sein Selbstbewusstsein zu stärken, ihm gut zu reden, mit ihm gemeinsam lernen, aber auch signalisieren, dass es eben nicht schlimm ist, wenn er keine 1 nach Hause bringt. So ein Wir-Gefühl schaffen, wir schaffen das gemeinsam. Dass er abends nicht einschlafen kann, zeigt ja auch, dass ihn etwas beschäftigt und nicht abschalten lässt - hast Du ihn mal gefragt, warum er nicht einschlafen kann?

Es ist nicht einfach in zwei Haushalten aufzuwachsen, noch dazu wenn die Eltern keine gute Kommunikation führen. Vielleicht wäre ein Gespräch mit der Mutter möglich, dass man eben gewisse Rahmenbedingungen gemeinsam bespricht und dann gleich handhabt, wie die Bettgehenszeit z. B. und ob nach dem Zähneputzen noch etwas gegessen/getrunken werden darf.

Timo67

Die Kommunikation mit der Mutter klappt eigentlich ganz gut! Da sie aber vier Kinder hat, und ich nur eins, sind die Prioritäten unterschiedlich.
Gestern haben wir wegen dem Jungen tel. Mein Vorschlag war, sich vielleicht mal eine Professionelle Meinung einzuholen. Sie hat dem Jungen gleich erzählt: Morgen mache ich einen Termin beim Kinderpsychologen. Das fand ich nicht so toll!

Das mit dem Wir-Gefühl mache ich. Wir machen auch immer zusammen Hausaufgaben. Mein Sohn ist guter Durchschnitt in der Schule.

Coney

Huhu,

man kann von außen die Situation sehr schlecht beurteilen - ich persönlich würde wohl noch nicht direkt einen Psychologen aufsuchen, weil es sich jetzt erstmal nicht über die Maßen besorgniserregend liest, was Du schreibst. Vielleicht ist das auch nur eine Phase, er steht unmittelbar vor der Pubertät, da tun sich schon mal Selbstzweifel u. ä. auf. Solche Ansagen wie mit dem Kinderpsychologen halte ich auch für eher kontraproduktiv. Ich finde es super, dass Du ihm Interesse signalisierst und keinen Leistungsdruck aufbaust. An Deiner Stelle würde ich seinen Nachfragen mal auf den Grund gehen. Wenn er anruft, hast Du ihn dann mal gefragt, ob er was auf dem Herzen hat? Vielleicht braucht er nur seinen Paps zum reden, hat Dich vermisst und findet nicht so richtig den Einstieg in ein Gespräch?

Sweety

Du bist vielleicht nicht streng im Sinne von ein strenger Zuchtmeister, aber du scheinst sehr feste Ansichten zu haben.
Wie oft hinterfragst du die? Hinterfragst du sie überhaupt oder sind sie in Stein gemeißelt?

Für mich klingt das so, als ob dein Junge sich abnabelt, eine eigene Sicht auf die Dinge entwickelt, aber - kluger Junge! - sehr genau weiß, dass seine Sicht und deine Sicht nicht zwangsläufig decken. Und da ist jetzt die Frage: Wie offen bist du nach außen für neue Sichtweisen?

Zum Beispiel Noten: Ich sag jetzt mal ganz kess "Noten sind schlecht". Noten an sich. Weil sie bei den wenigsten Kindern etwas darüber aussagen, was das Kind wirklich kann.

Wie transportierst du nach außen, dass du eine Note 4 schlecht findest?

Diese ganzen Ängste sind die Angst, äußeren Anforderungen nicht genügen zu können. Das finde ich arg traurig und wäre für mich Grund genug, meine eigenen Standpunkte mal einer gründlichen Untersuchung zu unterziehen.

Ob man dazu einen Psychologen braucht, sei mal dahingestellt. Aber wieso soll sie dem Kind das nicht sagen? Ihn betrifft es doch am allerehesten.

Timo67

Bei mir ist nichts in Stein gemeißelt und ich hinterfrage immer. Ich versuche jedes Problem mit ihm zusammen zu lösen. Ich denke, sonst wäre er auch nicht so gerne bei mir. Es ist schon vorgekommen, das ich ihn zwischendurch von Mama abholen musste, weil er geweint hat und zu mir wollte.

Du hast Recht. Noten sind nicht alles.  Aber leider ist es so, dass heute alles nach Noten bewertet wird. Als Vater sehe ich es als meine Pflicht meinem Jungen zu vermitteln, dass eine Note 4 nicht das Maß aller Dinge ist, aber gute Noten wichtig sind.

Nur mal so: Er kam erst einmal mit einer 4 nachhause. Hat sonst nur bessere Noten. Keine 4 im Zeugnis und auch nur 2 mal Note 3.

Das mit den Anforderungen sehe ich auch so. Er macht sich glaube ich selber Druck!
Aber ich kann doch jetzt nicht sagen, alles schlechte ist auch gut, mach was dir gefällt, nur damit er keinen Druck verspürt.

hallihallo

Stimme Sweety zu. Er sucht gerade seinen Weg und seine Werte, möchte dir aber damit nicht mißfallen.

Vielleicht fragst du ihn einfach mal, was er denn meint ob es o.k. ist, wenn er nach dem Zähne putzen noch Fanta trinkt? Unterstütz ihn einfach dabei eine eigene Meinung zu finden.

Timo67

Genau so versuche ich es schon die ganze Zeit.
Also werde ich so weiter machen.

Vielen lieben Dank für eure Hilfe




Coney

Zitat von: Sweety am 09. Februar 2015, 10:29:11

Ob man dazu einen Psychologen braucht, sei mal dahingestellt. Aber wieso soll sie dem Kind das nicht sagen? Ihn betrifft es doch am allerehesten.

Ich finde eine Aussage wie "Morgen mache ich einem Termin beim Kinderpsychologen" klingt für ein Kind doch irgendwie wie eine Drohung, oder?  :-\  Als ob das was schlimmes wäre oder so.

Sweety

Aber du könntest gemeinsam mit ihm rauszufinden versuchen, was wirklich gut und was schlecht ist.

Wenn du sagst "Dies ist gut und dies ist schlecht" ist das ja erstmal nichts anderes als dein Maß, dein Blickwinkel.
Das lohnt sich immer zu hinterfragen.

Es gibt mittlerweile ganze Schulen ohne Noten... die haben dann wohl noch nicht mitgekriegt, dass "alles" nach Noten bewertet wird. Das ist doch kein Argument, das ist nur ein Gemeinplatz.

Ich will mich jetzt auch nicht an dem einen Beispiel mit den Noten hochziehen, ich nehme mal an, du bist es einfach gewöhnt, die Dinge auf eine bestimmte Art zu sehen und für gut zu befinden und dein Sohn leidet, weil er dem nicht entsprechen kann oder auch will.

Was da hilft, euch beiden, ist informieren informieren informieren.
Bei allem fragen: Ist das wirklich so? Ist es wirklich so und nicht anders? Gibt es Alternativen? Wie sehen die aus? Was sind die Folgen? Die echten Folgen, nicht die, die man gewöhnt ist zu sehen.

Und auf dieser Basis dann gemeinsam arbeiten.

Coney, das kommt immer drauf an, w i e man das sagt und das wissen wir hier einfach nicht.
Aber w e n n es negativ und bedrohlich gewertet wird, dann ist es erst recht gut, dass es so kam, weil ich mal davon ausgehe, dass die Person vom Fach dann am besten geeignet ist, derartige Ängste zu zerstreuen.

Coney


Sweety, hmmm, stimmt auch wieder - so hab ich das gar nicht gesehen.

Once

Lies mal hier rein. Vielleicht erkennst Du Euch da wieder:

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Coney

Zitat von: Once am 11. Februar 2015, 14:10:04
Lies mal hier rein. Vielleicht erkennst Du Euch da wieder:

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Danke dafür, super interessant!

zuz

vielleicht nur ein Teilaspekt, aber wie ich finde wichtig: Nicht die NOTEN sind wichtig, sondern das Verhalten. Es IST wichtig, dass Dein Sohn lernt (und dabei sinnvolle Zeiten einhält, die er so nach und nach selbst in der Lage sein sollte zu bestimmen). Wenn dann gute Noten rauskommen - super. Wenn nicht, dann ist es nicht SEIN Fehler, dann passt halt etwas nicht. Noten geben die Lehrer, nicht Dein Sohn. Somit kann er sie nicht beeinflussen. Er kann nur beeinflussen, ob und wie er lernt.
Prinzipiell würde ich bei solchen Fragen versuchen den Ball an ihn zurückzugeben. Er will eine Fanta abends trinken? Was ist denn SEINE Meinung dazu? Warum hat er da Bedenken? Vermutlich merkt er schnell, dass er eigentlich ganz gut weiß, was gut für ihn ist und warum. Und welche Wahlmöglichkeiten er noch hat. Dass es SEINE ENtscheidung ist, ausnahmsweise mal noch eine zu trinken. Oder eben dann nochmal Zähne zu putzen. Dass ER festlegen kann, wie oft er sich solche Ausnahmen gestatten will. Usw.
Grundsätzlich würde ich wohl in dem Alter eher Fragen stellen als Antworten geben. Das muss er selber tun, zumindest bei solchen wie Du sagst eher banalen Dingen.