Tochter (3 1/2) ist aggressiv

[jean]

Danke an Euch.
@zuz
Gerne, bin gespannt.

[zuz]

So, jetzt noch mal in Ruhe (hoffentlich).
Also erstmal Glückwunsch zu Eurer lebhaften, offenen Tochter! Und ich finde es toll, dass Dir so viel Positives über sie einfällt, auch wenn sie grad eine schwierige Phase hat.

Ich denke, Ihr könnt nur dort ansetzen, wo Ihr auch dabei seid. Kiga, Ferienanimation usw., das kriegt Ihr nicht mit und hinterher/vorher könnt Ihr nicht viel ausrichten, weil so kleine Kinder noch absolut im Moment leben. Sie sind in DEM Moment wütend, hinterher nicht mehr. Und sie können das auch noch nicht gedanklich vorwegnehmen, wie sie in 2 Stunden reagieren werden, wenn sie dann vielleicht wieder wütend sind. Und ich geb Dir absolut Recht, mit Belohnung wirst Du auch nicht weit kommen.
Ihr könnt also nur was machen, wenn Ihr direkt dabei seid - bei dem Jungen mit dem Fisch, bei sonstigen Spielverabredungen, und natürlich auch wenn Ihr nur mit ihr allein seid.
Und dann finde ich es zwar auch richtig, sie im Zweifel aus der Situation zu nehmen (also z.B. in ein anderes Zimmer gehen oder ein paar Meter vom Geschehen weg). Aber Betonung auf "nehmen" nicht "schicken". Sprich, mit ihr zusammen. Sie ist noch klein, sie überblickt noch gar nicht, was los  ist. Angenommen, ein Junge will ihr das Förmchen nicht geben. (Ist das für sie ärgern? Ich glaube nicht. Ich glaube auch nicht, dass sie Dir den Ablauf hinterher genau schildern kann, oder zumindest kann sie keine Kausalkette herstellen). Sie will das aber unbedingt haben, ist in dem Moment völlig überwältigt von dem Gedanken, das Förmchen haben zu müssen. Probiert es vielleicht sogar noch mit energischer Aufforderung, wegnehmen, aber wenn das nicht hilft - dann wird die Wut so groß, dass sie irgendwohin muss. Verstand ist da schon längst ausgeschaltet, ruhig überlegen, abwägen, ob das jetzt wichtiger ist als evtl. eine Belohnung am nächsten Tag (was ist das überhaupt, der nächste Tag?) das kann sie schon lange nicht mehr. Also wird sie körperlich aktiv werden - hauen, schubsen usw. Endlich ist die Wut raus!
Im Idealfall bist Du dabei und bekommst es schon mit, wenn der Streit zu eskalieren droht. Dann kannst Du gleich hingehen, unterbrechen (nicht weggehen) und ihr einfach sagen, was grad passiert - dass sie grad unbedingt das Förmchen haben will und ganz wütend wird, weil der Jugne es ihr nicht gibt. - Und das erst mal sacken lassen, damit sie es überhaupt selbst versteht. Wenn sie dann nickt, dann erst kannst Du weitermachen, oder ruhig noch mal was nachlegen zum Verständnis: Du findest es grad ungerecht, oder? Und erst dann, wenn sie das mal verstanden hat, kannst Du mit ihr zusammen überlegen, was man da jetzt machen kann. Die Lösung ist dann gar nicht so wichtig. Vielleicht kriegt sie den Fisch, vielleicht auch nicht. Aber: Sie lernt durch DICH, dass ihre Wut ja auch wieder kleiner werden kann. Dass sie gar nicht hauen musste. Nicht weil sie das gekriegt hat, was sie wollte, sondern weil sie in Worte fassen konnte, was los ist. Und das geht nur mit DIR (oder natürlich Deinem Mann), nicht allein auf ihrem Zimmer.
Wenn es schon eskaliert ist, sie also schon gehauen hat, im Grunde gleiches Spiel. Erst mal die direkte Situation: Du hast X grad gehauen. Schau ihn mal an. Was ist jetzt mit ihm los? (also nicht ärgerlich, wirklich eher so Neugierde wecken). Vermutlich weint er grad, dann das ansprechen, sie wird es nicht können. Oder zumindest schaut er unglücklich. Dadurch weckst Du Empathie. Denn in dem Alter können sie sich noch nicht in andere reinversetzen. Sie gehen davon aus, dass alle Welt so tickt wie sie grad. Und erst wenn das geklärt ist, wenn sie gemerkt hat, sie hat den anderen jetzt unglücklich gemacht, dann kann sie evtl. kurz pusten, und dann kann man noch mal drauf eingehen, was eigentlich grad los war.
Mit der Zeit wird sie dann lernen, selbst einen Ausweg zu finden, nur noch mit Worten zu kämpfen. Aber das wird dauern. Monate, Jahre, aber es wird besser.

Mit dem Respekt vor Erwachsenen: Ich denke, es ist ihre Art, Kontakt aufzunehmen. Sie hat noch keinen Katalog von Höflihckeitsformeln à la Oh schön, Sie kennen zu lernen. Gefällt es Ihnen hier auch so gut? Freut mich
Sie merkt, der ist freundlich zu ihr, und will irgendwie reagieren. Respekt in dem Alter gibt es schlicht noch nicht. Manche haben halt einfach Angst, andere nicht, aber REspekt kommt erst viel später. Ich würde ihr einfach zeigen, was sie sonst machen kann. Also das mit dem Finger pieksen würde ich ganz klar verbieten. Keine große Show, einfach: Lass mal Deinen Finger bei Dir, ich glaube, das gefällt XY nicht. Und dann einen Vorschlag machen, was sie sonst machen könnte, worüber sie mit ihm reden könnte, oder was sie ihm zeigen/mit ihm spielen könnte. Je nach Vertrautheitsgrad und Situation, Du wirst schon wissen, was angebracht ist.
Eines ist mir noch aufgefallen: Dein Kind IST nicht lieb. Und es IST auch nicht böse. Es verhält sich entweder richtig und angemessen oder nicht. Ich wäre da sehr vorsichtig mit diesen Bemerkungen, wie das Kind IST. Denn erstens merkt sie dann: Oh, Mama erwartet, dass ich nicht lieb bin - und die meisten Kinder versuchen, den Erwartungen zu entsprechen. Und zweitens, wenn sie sie mal wieder nicht beherrschen konnte (was wie gesagt normal ist), denkt sie, sie IST böse. Und das sollte niemand von sich denken müssen. Natürlich darf sie eine Ansage kriegen für das, was sie GEMACHT hat. Aber sie als Person sollte außen vor sein, sie ist nämlich trotzdem noch der temperamentvolle Sonnenschein, als den Du sie beschrieben hast. Und der soll sie auch bleiben, sie soll nur ihr Verhalten ändern.

[jean]

Danke. Sind gute Tipps dabei.
Ja, vielleicht haben wir einfach ein wenig das eigentlich Alter vergessen, so blöd es klingt.
Sie ist in vielen Dingen schon so weit, dabei vergisst man schnell das sie eigentlich viele Sachen noch gar nicht verstehen kann.

[babybiene]

zuz: Danke für die Tipps! Viele passen auch genau zu uns!  Es stimmt, ich sage auch oft zu ihr: Sei lieb bzw. jetzt warst du böse! Das wird sich schnell ändern! Danke dir!

[min(e)]

ich möchte auch danken

[zuz]

Danke Euch

@Jean: Ja, das eigentliche Alter. Das haben wir bei unserer Großen auch oft vergessen, und immer zu viel von ihr erwartet. Ich merk das jetzt beim Kleinen, dass ich von ihm viel weniger erwarte. Die Große konnte immer unglaublich schlau sein, da dachte man manchmal, man hätte eine kleine Erwachsene vor sich.
Was mir da immer ganz gut hilft ist andere Kinder im selben Alter anzuschauen. Bei denen bin ich nämlich meistens toleranter als bei den eigenen. Und da kann ich mich immer ganz gut einnorden, was denn eigentlich erwartbar ist in dem Alter.