Dann bringe ich euch jetzt mal das andere Beispiel, vielleicht ist es dann für andere verständlicher wieso es manchen Menschen nicht "einfach so zufällt" die gesunde und ausgewogene Ernährung ohne Eigen-Reglementierung und Bedacht auf das was auf den Teller kommt.
Meine Mutter konnte nicht kochen, absolut gar nicht. Kann sie bis heute nicht.
Ich bin ein Kind der "Tüten-Generation", alles bei uns Zuhause kam aus der Tüte wenn meine Mutter gekocht hat - ALLES!
Mein Vater konnte kochen, war jedoch im Schichtsystem Vollzeit beschäftigt und hatte einen Nebenjob um all die Rechnungen, die so anfielen auch nur im Ansatz begleichen zu können. Er versuchte sich oft die Zeit zu nehmen zu kochen, ja - dennoch kochte er (in meinen heutigen Augen) sehr fettreich, sehr deftig, sehr großzügig.
Während bei meiner Mutter Zuhause in ihrer Kindheit eine Mutter vorhanden war die kochen konnte, die Küche aber zum Sperrbezirk für die Kinder erklärte und diesen nichts mit gab, so wurde mein Vater in einem Haushalt groß in dem die Kinder Geld bekamen und Selbstversorger sein durften - falls der Tiefkühler leer war.
Ja, mir wurde auch als Kind schon erzählt wie wichtig dies und jenes sei - aber es wurde mir nicht vorgelebt und ich habe all diese schlechten Eigenschaften erst einmal übernommen, wenn auch schleichend.
Ständig wurde mir von meiner Mutter erzählt, dass ich zu dick sei, auf meine Figur achten muss. Ich war so alt wie unsere Töchter jetzt, ich war gertenschlank (und kann dies gerne an Hand von Fotos beweisen), aber all ihre Probleme wurden auf mich projiziert und ich wurde reglementiert bis zum Hungern. So begann ich heimlich zu essen, ich gab all mein Taschengeld für Süßigkeiten die es Zuhause nicht gab aus, ich ging zur Imbissbude um ein Sättigungsgefühl zu erlangen.
In diesen Punkten wurde ich wirklich sehr schlecht erzogen und es hat mich viel Arbeit an mir selbst gekostet - zu erlernen, dass ich keine Hungersnöte erleide. Zu erlernen mich selbst zu reglementieren ohne zu bestrafen o.ä.!
Ich nenne es mit heutigem Wissen eine Essstörung was mir wirklich von Kindergartenbeinen an anerzogen wurde. Keine Essstörung als Hilferuf, sondern eine Essstörung weil mein Essverhalten von außen gestört wurde und ich kein Eigengefühl entwickeln konnte.
Ich bin mittlerweile erwachsen, ich wohne seit 13 Jahren nicht mehr in den elterlichen Gefilden. Ich kann kochen, ich habe so viel gelernt, so viel mir selbst bei gebracht. Mein Einkaufswagen ist abwechslungsreich, wir haben immer Massen an Obst & Gemüse im Haus, ich stehe nicht so auf Kohlenhydrate (von denen werde ich zu einem noch fetter, zum anderen schlafe ich schlechter, habe mehr Heißhunger, fühle mich aufgebläht) usw.
Aber für mich ist es dennoch ein Kampf, immer wieder nicht in alte Gewohnheiten zu fallen. Manchmal fühle ich mich wie ein trockener Alkoholiker - nur das die Nahrungsaufnahme notwendig ist zum Überleben und ich daher nicht komplett dem Absagen kann, ich stehe also in dauerhafter Versuchung einzubrechen und nachzugeben.
Ich wünsche mir von Herzen, dass es unseren Kindern niemals so gehen wird - und auch daran arbeite ich. Sie kennen und essen Früchte, deren Namen haben ihre Freundinnen zum Teil noch nie gehört. Es ist immer eine abwechslungsreiche Kost auf dem Teller, es gibt hier keinerlei Fertigprodukte. Sie dürfen mir in der Küche helfen, sie dürfen mit mir den Einkaufszettel schreiben und einkaufen gehen. Sie dürfen selbst feststellen, dass den meisten Menschen nach einer Tafel Schokolade irre schlecht ist. Genauso wie ich niemals sagen würde, dass sie jetzt bitte die Süßigkeiten liegen lassen sollten weil Süßigkeiten dick machen. In all unserem Zuckerkonsum sind eine handvoll Süßigkeiten das geringste Übel, immerhin versteckt sich mittlerweile in fast jedem Produkt (mal die Zutatenliste von Dauerwurst studiert?) Zucker. Sie sollen bzw. dürfen den bewussten Umgang lernen. Und dick werden sie nicht weil sie sich vor dem Abendessen noch einen Schokoriegel erfragen, da sind dann drei Brote mit dick Butter und Wurst oder Käse gewiss fataler ...
Selbst mein Vater kocht heutzutage anders, bewusster, ausgewogener. Und wir geben uns sogar gegenseitig Tipps. Meine Mutter kann bis heute nicht kochen, unsere Kinder essen dort nicht - gerade unsere Große klagt über Kopfschmerzen nach "Tütenkram". Sie essen dort freiwillig nicht, nicht weil wir es ihnen anerzogen haben. Hier behaupte ich, dass sie schon ein Bewusstsein für gute Kost entwickelt haben - durch das Vorleben und dem was sie tagtäglich auf dem Teller bekommen.