Beschneidung

Begonnen von Lilifee, 15. Oktober 2011, 20:36:41

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guest4324


~ Oma Netti ~

@hrefna
aber wenn man es in deutschland ablehnt (was ich ja schon nachvollziehen kann) geht man dann nicht das risiko ein, dass die familie das kind ins heimatland bringt und es dort unter wesentlich schlimmeren bedingungen gemacht wird? ich weiß erhlich nicht, was ich schlimmer finden soll....

Sweety

Netti, das ist sicher richtig, aber es ist auch wieder so eine Duckmäuser-ich-mach-es-jetzt-mal-allen-recht-Haltung.

Sicher gibt es da keine einfache Lösung, das behauptet auch mit Sicherheit keiner. Ich auch nicht. Nichtmal als Hardcore-Atheistin.
Aber zu sagen "Ach, eigentlich find ich es blöd, aber ich drücke lieber mal ein Auge zu aus den und den Gründen" ist meines Erachtens gar keine Haltung.

~ Oma Netti ~

nein? ich weiß nicht, ich würde lieber ans kind denken, dass ihm nicht weh getan wird.  :-\

scarlet_rose

Zitat von: ~Netti~ am 18. Oktober 2011, 13:18:22
nein? ich weiß nicht, ich würde lieber ans kind denken, dass ihm nicht weh getan wird.  :-\

Ihm wird aber weh getan, egal unter welchen Umständen,ihm wird ein Körperteil abgeschnitten.

Ich bin ein sehr traditionsbewusster Mensch und finde Traditionen und Bräuche, Rückbesinnung auf Kultur usw sehr wichtig.
aber ich kann nicht alles unter ihren Schutz stellen, wenn dabei das Recht auf körperliche Selbstbestimmung eingeschränkt wird.

Natürlich gibt es in den Auswirkungen von weiblicher und männlicher Genitalverstümmelung, nichts desto trotz ist beides ein eingriff in das Intimleben und vor Allem eben in die körperliche Unversehrtheit, weswegen ich weder das Eine, noch das Andere gut heißen kann.

Auch im Respekt vor Tradition und Glauben kann man durchaus Dinge hinterfragen und deren Sinnhaftigkeit anzweifeln.
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Sweety

Oh cool, Scarlet erspart mir einiges s-daumenhoch

Nachtvogel

Zitat von: scarlet_rose am 18. Oktober 2011, 13:26:14
Zitat von: ~Netti~ am 18. Oktober 2011, 13:18:22
nein? ich weiß nicht, ich würde lieber ans kind denken, dass ihm nicht weh getan wird.  :-\

Ihm wird aber weh getan, egal unter welchen Umständen,ihm wird ein Körperteil abgeschnitten.

Ich bin ein sehr traditionsbewusster Mensch und finde Traditionen und Bräuche, Rückbesinnung auf Kultur usw sehr wichtig.
aber ich kann nicht alles unter ihren Schutz stellen, wenn dabei das Recht auf körperliche Selbstbestimmung eingeschränkt wird.

Natürlich gibt es in den Auswirkungen von weiblicher und männlicher Genitalverstümmelung, nichts desto trotz ist beides ein eingriff in das Intimleben und vor Allem eben in die körperliche Unversehrtheit, weswegen ich weder das Eine, noch das Andere gut heißen kann.

Auch im Respekt vor Tradition und Glauben kann man durchaus Dinge hinterfragen und deren Sinnhaftigkeit anzweifeln.

s-daumenhoch
36+3 -> 2940g / 37+4 -> 3320g / 38+5 -> 3660g
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mausebause

Scarlet, wieder toll geschrieben, dem ist nichts hinzuzufügen! :)

~ Oma Netti ~

naja die sinnhaftigkeit zweifel ich auch an.
ich denke da aber eher pragmatisch. gemacht wird es in vielen ländern, die religionsgeprägt sind, ob ich den sinn sehe oder nicht. und ich sehe es schon als unterschied an, ob es im KH unter betäubung gemacht wird oder irgendwo im busch mit einer stumpfen rasierklinge. grundsätzlich bin ich auch der meinung, dass egal welches kind einfach so gelassen werden soll, wie es ist, aber nur weil ich das so sehe, wird sich die tradition ja nicht ändern.
fragt mal türkische männer (nur als beispiel, ich kenn halt nur türkische, die beschnitten sind) ob sie sich ihrer körperlichen unversehrtheit beraubt fühlen, die zeigen euch doch den vogel.

A.n.j.a

@Hrefna: dankeschön und sorry, ich hab da falsch argumentiert bzw. schlampig recherchiert.

Dennoch: das ist das Ärzteblatt, nicht das BGB, und mithin bei aller Kompetenz auch ein Stück weit Meinungsmache. Der Artikel ist nicht unumstritten und hat es übrigens bis Wikipedia geschafft, siehe Zirkumzision dort.

Zitat:    "Im Jahr 2008 kam es zu einem Streit zwischen Autoren, die im Deutschen Ärzteblatt einen Artikel veröffentlichten und zahlreichen muslimischen und jüdischen Verbänden wie der muslimischen Vereinigung Millî Görüş und Vertretern jüdischer Gemeinden auf der orthodoxen Rabbinerkonferenz. In dem Artikel begründeten diese Autoren ihre Ansicht, dass es strafbar sei, sich an einer religiösen Beschneidung zu beteiligen. Kritisiert wird an diesen Positionen von einzelnen Stimmen innerhalb der Rechtswissenschaft, dass verfassungsrechtliche Aspekte ausgeblendet würden . Auch ist die Rolle kulturell-religiöser Gründe als Rechtfertigung für die Beschneidung umstritten: die Bewertung der Religionsfreiheit und die Relevanz der Zugehörigkeit der Eltern zum jüdischen oder muslimischen Glauben sind Gegenstand der Rechtsdebatte.

Wenn man da tatsächlich ins Verfassungsrecht abdriftet, kommt man zum grundgesetzlich geschützten Elternrecht (Art.6 Abs.2 GG), so in der "Rechtswissenschaft" 2010 argumentiert.
Bisher wurde in der Bundesrepublik noch kein Fall von Beschneidung strafrechtlich verfolgt, gut, wo kein Kläger, da kein Richter.  Jedenfalls sieht die Judikative offensichtlich keinen Kriminalisierungsbedarf hier.

LG
Anja

P.S. Bist Du eigentlich ein Mann ("Arzt, Radiologe")? 


Sweety

Natürlich tun sie das. Deshalb muß man das in Deutschland trotzdem noch lange nicht gutheißen oder hinnehmen.

Hier gilt immer noch die Säkularität, auch wenn mancher das gerne anders sähe und hier gilt auch immer noch das gesetzlich verankerte Recht auf körperliche Unversehrtheit, es sei denn eine medizinische Notwendigkeit spricht für etwas anderes.
Tja - eigentlich zumindest.
Glaubensfreiheit bricht hier ja so einiges :-(

Naja, ich reg mich grade wieder sinnlos auf, also lasse ich es lieber.

guest4324


Sweety

Zitat von: Hrefna am 18. Oktober 2011, 14:14:53
Sorry für die Verwirrung, das wird ja meist von jedem nach gusto gehandhabt. In unserem Haus/Kollegenkreis ist die Endung  "-in"  out. (oh, hüsches Wortspiel ;))

Tut mir wirklich leid, aber ich MUSS jetzt mal OT gehen: Wirst du denn auch in absentia Patienten gegenüber so genannt: "Gehen sie mal zu unserem Radiologen Sowieso" und dann stehen sie verblüffenderweise einer Frau gegenüber? Oder ist das "nur intern"?

A.n.j.a

@ Hrefna: danke :)

Ja, das ist in der Tat ein hochkontroverses Thema.  Und natürlich auch ein sehr emotionales - ich freu mich um so mehr über Deine nüchterne Antwort (Unversehrtheit sticht Religionsfreiheit).  Ich finde z.B. den gesellschaftspolitischen/sozialen Identifikationsfaktor recht wichtig, der in dem Ärzteblatt-Artikel auch genannt, aber nicht als ausreichend für einen Eingriff erachtet wurde.

Aber ich positioniere mich hier nicht im pro und contra Sinn, ich lege nur etwas Hintergrund auf den Tisch, wie auch in dem anderen Thread.

@Scarletrose: ich versteh Deinen Ansatz, aber genau da ist der Punkt, an dem aufgeklärte (nicht im sexuellen Sinne) Agnostiker/Atheisten auf Granit beissen bei Gläubigen bzw. niemals deren Sichtweise verstehen können.  Oder sogar Gläubige - aber eben "soft-gläubig" , ohne starres Riten- und Regularienkorsett.
Wie weiter oben geschrieben, Rituale haben selten was mit Logik zu tun und religiöse Bräuche können nicht physikalisch, juristisch oder philosophisch erfasst werden.

Man mag das rückständig und unflexibel finden wie man will, aber es ist ein essentieller Teil des jeweils betroffenen Glaubens (jetzt fühl ich mich fast wie in Reds Minarett-Thread seinerzeit).

guest4324

Zitat von: A.n.j.a am 18. Oktober 2011, 14:29:29
Ich finde z.B. den gesellschaftspolitischen/sozialen Identifikationsfaktor recht wichtig, der in dem Ärzteblatt-Artikel auch genannt, aber nicht als ausreichend für einen Eingriff erachtet wurde.

Das stimmt.  :) Ich habe eben mal einen auch über google gefundenen Artikel vom - lass mich nicht lügen....war es Deutschlandradio?- gelesen. Da waren auch einige interessante Aspekte dabei. Stichwort: warten, bis die Kinder 14 oder 15 sind.


@ Sweety, uih, da musste ich jetzt doch wirklich erstmal eine geschätzte Zehntelsekunde überlegen... ;D
Resultat: Nein, diese "-in - Verweigerung" bezieht sich nur auf die Schriftform. In meiner Unterschrift habe ich aber auch meinen Vornamen drin, d.h. alles glasklar :D

Binus

Den Gedanken, den Anja hier mehrfach gebracht hat, hatte ich gestern auch noch: man kann es als aufgeklärter Mensch, der vielleicht sogar atheistisch aufgewachsen ist, einfach nicht nachvollziehen, WIE wichtig für einen gläubigen Moslem die Beschneidung ist. Das ist jetzt mal ganz wertfrei gemeint! Ich würde auch nur bei medizinischer Indikation beschneiden und beschneiden lassen. Aber grundsätzlich ist eine Beschneidung beim Mann auch nicht ansatzweise mit einer Genitalverstümmelung einer Frau zu vergleichen. Dabei werden ja die Labien (zumindest die inneren) und die Klitoris entfernt, dafür müsste man beim Mann schon die Glans und auch ein Teil des Skrotum wegschneiden. Habe heute extra nochmals meine OA gefragt - er kennt übrigens keinen Patienten, der nach Beschneidung ernsthaft unzufrieden war oder sexuelle Probleme hatten. Wobei unser Haus keine religiös begründeten Bescheidungen durchführt. Und man natürlich auch bedenken muss, dass eventuelle Probleme eher beim niedergelassenen Urologen landen. Von "schmerzhaften Wiederherstellungsversuchen der Vorhaut" nach Beschneidung habe ich  persönlich noch nie gehört.

kd74

ich glaube wir sind nun bei einem anderen thema nämlich wie beschneidung und religion bzw. glaube zusammenhängt. das ist natürlich eine andere diskussionsgrundlage.
wobei ich anja recht gebe, wenn man atheist ist, kann man auch diese vorgehensweise nicht nachvollziehen.
ich habe aber auch als nicht gläubiger ein anrecht auf meine meinung. und zu dieser stehe ich!

@starlet; auch ich finde es schade das du dich nicht mehr äusserst.

Katie

Natuerlich kann ich nachvollziehen warum manche Menschen extrem von Religion beeinflusst sind und streng danach handeln.

Aber der Mensch ist dennoch dazu faehig kritisch zu denken und Handlungen zu hinterfragen.

Denn mit Religion wurden schon immer und werden auch heute noch andere schreckliche Taten gerechtfertigt.

Aber wir entwickeln uns weiter und zum glueck gibt es selbst in den konservativsten Kulturen Menschen die progressiv sind und die Dinge ansprechen.
Wo kaemen wir hin, wenn es die Kritiker nicht gaebe? Ewiger Stillstand?

LILA

Ich finde auch, dass man ja auch als religiös denkender Mensch bereit sein sollte gewisse Dinge zu hinterfragen.

Wir reden ja hier über Beschneidungen in unserem Kulturkreis und ja da finde ich Beschneidung absolut indiskutabel.

Die Zeugen Jehovas proklamieren zum Beispiel auch das "Züchtigen" als notwendig. Darf denn nun ein Zeuge Jehovas seine Kinder verprügeln? Eben weil es einen Glaubens-Hintergrund hat?  :-[

kd74

ich muss hier echt meine finger ganz still halten, das ist ein thema wo ich sehr diskutier-freudig  sein kann......aber ich gebe einfachkeitshalber katie und lila recht, unter dem deckmantel "religion" sind schon manche dinge gelaufen die jeglicher vernunft widersprechen.
und gerade darum ist es wichtig immer wieder dinge kritisch zu hinterfragen.

Binus

Das ich es trotzdem nicht okay finde, "grundlos" zu beschneiden, ist hoffentlich in meinen Posts klar geworden.  Ich wollte nur nochmals darauf hinweisen, das das Thema Beschneidung bei den entsprechenden Glaubensgruppen einen völlig anderen Wert hat als in unserer Gesellschaft. Wenn man diese Wertvorstellung quasi mit der Muttermilch eingeflößt bekommen hat, kann man sich auch als erwachsener, kritisch denkender Mensch schwer davon frei machen. Es gibt ne Studie (bitte nicht fragen, welche, ich habe wirklich keine Ahnung, die Erinnerung daran ist nur ganz dunkel in meinem Gedächtnis...) , die gezeigt hat, dass bei Gläubigen ähnliche Hirnareale aktiviert werden wie bei Süchtigen. Ich weiß, wir sind hier inzwischen sehr weit weg vom eigentlichen Thema, aber dass nur, um ein wenig die Brisanz zu verstehen - einige werden nie verstehen, was ein, sagen wir, rational denkender Mensch, weit weg vom Glauben, von einer Beschneidung hält, für die ist das einfach absolut essentiell.

Once

Zitat von: A.n.j.a am 18. Oktober 2011, 10:00:32
Ich wollte nur kurz klarstellen, dass ich Genitalverstümmelung bei Mädchen keinesfalls hier tolerabel machen will - das ist eine völlig andere Hausnummer als Jungenbeschneidung, in jeder Hinsicht.

Wieso ist es eine andere Hausnummer? Für Dich jetzt ganz persönlich, meine ich?! Die physischen Folgen sind andere, aber der Eingriff an sich, die traditionellen/religiösen Hintergründe als auch der zu erleidende Schmerz des eigentlich unversehrten Kindes/Babys sind- in meinen Augen zumindest - ähnlich zu klassifizieren wie bei der Mädchenbeschneidung. Das Leiden der Mädchen ist zwar nachhaltiger, physisch und psychisch um ein weites fataler als bei Jungen. Dennoch findet auch bei der Säuglings-/ Kleinkindbeschneidung ein physisch - mit starken Schmerzen einhergehender - Übergriff in die Autonomie des Einzelnen statt und ist in meinen Augen ähnlich zu werten wie FGC oder FGM...?

Ich verstehe ganz klar was Du uns vermitteln möchtest (Toleranz in erster Linie) und ich bin da prinzipiell auch total auf Deiner Seite, aber 'einzig' aufgrund der religiösen bzw. tradiotionellen Hintergründe oder dem nach wie vor gängigen Beschneidungs-Habitus in vielen afrikanischen o. arabischen Ländern kann man - so finde ich zumindest - diesem Übergriff einfach nicht seine moralische Härte nehmen. Ich verstehe da schon den Werte-Konflikt von dem Hrefna spricht und sehe das ähnlich (unabhängig von den verschiedenen Folgegraden).

Immerhin geht dieser moralische Wertekonflikt ja nicht mit genereller Verurteilung den entsprechenden Religionen gegenüber einher...

Binus

Ich glaub, so ganz kann ich dir jetzt nicht folgen...

Willst du damit ausdrücken, dass du Jungs- und Mädchen-beschneidung gleich "schlimm" findest?

Das Mädchen wird aber doch genital verstümmelt, das äußere Genitale quasi funktionslos gemacht. Und ich behaupte auch, dass dieser Eingriff deutlich schmerzhafter ist als die klassische Beschneidung eines Jungen bzw. Mannes.

Der Übrgriff in die Autonomie, wie du es so schön ausgedrückt hast, ist klar in beiden Fällen da. Kann ich nur zustimmen.

Katie

Ich kann das auch richtig gut nachvollziehen, da ich selbst in einer Kultur grossgeworden bin, in der man "das halt so macht".

Die meisten Amerikaner koennen es sich gar nicht anders vorstellen. Meine Familie war sehr geschockt, dass wir es nicht haben machen lassen und haben das auch nur damit entschuldigt, dass wir in Deutschland leben und es hier nicht gemacht wird.

Aber in USA muss man teilweise schon sehr aufpassen, dass das Baby nicht routinemaessig beschnitten wird!

Und da ist es genau wie mit dem Glauben. Die Leute glauben eben fest daran, dass es gesuender und reinlicher ist und dass es vor Krankheiten schuetzt. Also kein spiritueller Hintergrund, aber falsche Fakten.
Aber auch in USA gibt es Stimmen dagegen und die werden immer lauter und immer mehr.

Die Zahl der Beschneidungen ist dort zum Glueck ist ruecklaeufig. Das bedeutet also, dass die Menschen sehr wohl das potential haben ihre Augen zu oeffnen.

Daher sind die Kritiker so wichtig, denn ohne sie findet keine Diskussion, kein Wandel, keine Evolution der Gedanken statt.

Binus

Zitat von: Katie am 18. Oktober 2011, 20:50:06
Die Leute glauben eben fest daran, dass es gesuender und reinlicher ist und dass es vor Krankheiten schuetzt. Also kein spiritueller Hintergrund, aber falsche Fakten.

Ich behaupte, dass sich falsche Fakten einfacher ausräumen lassen als der spirituelle Hintergrund. Glücklicherweise. Also, für die falschen Fakten, meine ich. Ach, du verstehst hoffentlich, wie es gemeint ist... s-:)