Teilen lernen - wie geht das?

Begonnen von Annie, 30. Januar 2014, 20:43:03

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Annie

Hallo,
ich habe gerade ein riesiges Problem mit meiner 5-jährigen Tochter. Sie ist gerade total biestig zu ihren 2 allerbesten Freundinnen und ich mich macht das richtig traurig. Sie kann einfach ganz schlecht teilen und wird dann ganz wütend und gemein.
Wenn z.B. beide eine Süßigkeit aussuchen und der Schokoriegel, den ihre Freundin will, ist nur noch das eine Mal da, dann will sie ihn selber. Teilen will sie ihn dann aber auch nicht, sondern für sich alleine. Auch wenn ich ihr immer sage, dass wir solche doch wieder kaufen können.
Wenn sich ihre Freundin den rosa Becher aussucht, gibt es Theater, weil sie den wollte (auch bei anderen Farben).
Wenn sie zusammen malen, nimmt sie sich schon direkt ganz viele Stifte in die Hand: Die brauche ich gleich alle.
Heute noch: Ihre Freundin trinkt im Kiga noch was vor dem Gehen. Plötzlich will Lina auch was, die Kanne ist aber leer. Unser Weg dauert 5 Minuten zu Fuß, ich sage, wir trinken zuhause. Riesen Theater: Das ist gemein, ich wollte auch trinken. Die hat mir das weg getrunken. (Dabei wusste die Freundin nicht, dass Lina plötzlich auch Durst hat)
Ich frage beide Kinder, was es denn zum Mittagessen gab. Die Freundin antwortet eher und sofort: Die ärgert mich, das wollte ich dir erzählen.

Puh, ich weiß keinen Rat mehr. Ich rede natürlich nach der Wut immer mit ihr drüber, aber es verändert sich nichts. Ich kann meine Tochter in solchen Momenten echt gar nicht leiden  :-(
Kennt ihr sowas, was soll ich tun?

LG, Annie
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*02.07.2008, 1.38 Uhr, 56cm, 4200g, KU 35cm

zuz

Huhu,

hm, ich bin ja da immer eher pragmatisch. Nur ein Schokoriegel? Bevor den die Kinder sehen, würde ich den selbst in zwei Hälften teilen, fertig. Becher: Wenn Du weißt, dass es Theater gibt, teil sie selber aus (wenn es nur der rosa Becher ist, kommt der eben weg). Trinken: Geh zum Wasserhahn und füll noch mal nen Becher auf. Auf die Art kannst Du schon mal vieles entschärfen.

Um ihr das klarzumachen: Ich würde das aufdröseln für sie. Also einmal: Du hast jetzt Durst und bist enttäuscht, weil nichts mehr da ist. Auf ihre Zustimmung warten. Und dann: X hat grad das letzte getrunken. Aber weißt Du: Sie hatte auch Durst. Sie konnte ja nicht wissen, dass Du auch noch was willst.

Ich denke, dass teilen lernen ein sehr langer Prozess ist. Je unaufgeregter man selbst dabei bist, umso besser. Umgekehrt ist eben manches auch mal so, alles wirst Du nicht auflösen können (Und auch nicht sollen). Da muss sie dann wohl durch. Du kannst Verständnis signalisieren, dass sie jetzt traurig/enttäuscht ist und das gern haben wollte. Gefühle sind halt bei Kindern noch sehr unverfälscht. Sie kennen noch kein bewusstes sich-zurücknehmen, weil das blöd ankommen könnte (was es ja bei Dir tut). Und die Gefühle an sich sind auch nicht verkehrt und sollten erstmal anerkannt werden, auch wenn das manchmal schwer ist. Das richtige Handeln dazu ist dann erst der zweite Schritt. Irgendwann kommt das schon :)
Jedenfalls versuch ich mich da auch immer dran zu erinnern, wenn meine mal wieder unbedingt auf der dunkelblauen Schüssel besteht  s-:) ;)

Sonne1978

Zuz hat das, wie so häufig, schon ganz toll geschrieben.

In der Situation mit dem Riegel, hätte ich entweder darauf bestanden, dass das Besuchskind diesen bekommt oder aber, es wird geteilt. Eine andere Option käme für mich nicht in Frage.
Wenn Du aber sowieso vor hast, Süßigkeiten zu verteilen, bereite sie vor, dann gibt es keinen Ärger. Also: für jeden das Gleiche.

Die Becher-Sache ist wohl immer ein Problem, seit es diese IKEA-Kunterbunt-Linie gibt ;D Ich habe den rosa Becher NICHT weggenommen, gerade weil sie lernen sollen, dass nicht immer das gleiche Kind den begehrten Becher haben kann. Wer Durst hat, trinkt auch aus einem andersfarbigen Becher. Besucherkinder dürfen bei uns immer zuerst auswählen, ist halt auch eine Sache der Höflichkeit, die man als Erwachsener fortführt. Bei Streit versuche ich,  zu vermitteln und mit den Kindern zusammen einen Kompromiss auszuhandeln. Z. B. "Besucherkind darf jetzt den rosa Becher haben, dafür darfst Du Dir gleich zuerst eine Süßigkeit aus der Schüssel nehmen."

Ich versuche auch ganz oft, das Kind zu animieren, sich in die Situation des anderen hineinzuversetzen. "Stell Dir vor, Du wärst Gast bei XY. Du wärst ganz sicher auch traurig, wenn..." So oder so ähnlich. Mit 5 Jahren verstehen Kinder das.

Alle Stifte in die Hand nehmen? Warum? Sie malt nicht mit allen gleichzeitig. Die Stifte kommen bei uns in eine Schale zwischen die Malkinder, so dass jeder gut dran kommt. Jeder nimmt sich den Stift, den er gerade braucht, oder zwei, wenn Farben im Wechsel gebraucht werden. Mehr nicht.

Insgesamt finde ich auch, solltest Du natürlich ein gewisses Verständnis für ihre Situation zeigen. Aber ich bin auch der Meinung, dass es Grenzen gibt. Diese wäre z. B. für mich bei der Kindergarten-Wasser-Geschichte erreicht gewesen. Du hast 5 Minuten nach Hause, Kind ist fertig für den Nachhause-Weg? Ich wäre gegangen. Diese offensichtliche Neid-Situation hätte ich nicht akzeptiert.

Du willst es Deinem Kind natürlich Recht machen, ihm Niederlagen, Frust, Ärger, Traurigkeit usw. ersparen, aber all das gehört zur Entwicklung dazu. Ich KANN nicht immer bekommen, was ich möchte. Ich KANN nicht immer zuerst an der Reihe sein. Nicht jetzt, nicht im gesamten Leben. Kinder müssen lernen, mit Krisensituationen umzugehen, dafür müssen sie aber auch mit ihnen konfrontiert und von Dir hindurchgeführt werden. Tränen gehören da manchmal dazu, auch wenn das Muttherz leidet.

lisa81

Läuft gerade grundsätzlich etwas schief? Können die beiden Freundinnen etwas besser, werden irgendwo (aus Kindersicht) bevorzugt?
Dürfen sie vielleicht bei dir Dinge, die deine Tochter nicht darf? Oft bevorzugt man ja Besucherkinder.
Das würde ich mal hinterfragen und evtl überlegen, ob du deiner Tochter da eine etwas bessere Position verschaffen kannst. Das wird das Problem vermutlich nicht lösen, aber vielleicht etwas entschärfen.

Wie Sonne sagt, einiges gehört zur Höflichkeit nunmal dazu. Andererseits gibt es auch für Gäste Grenzen der Höflichkeit und es sind eben noch Kinder, die ja nicht gleich alles auf einmal lernen müssen.

Zu den Einzelsituationen, das sehe ich wie die anderen. Das Kind nicht ignorieren, aber auch nicht auf jedes Wort eingehen.

/trinken: Im KiGa wird bei uns in dem Fall nichts mehr getrunken, auch wenn die Kanne noch voll ist.
/Becher: ICh hasse bunte Becher! S:D
/Schokolade: Auch da schließe ich mich an
Hier ist es außerdem so, dass die Süßigkeiten der Kinder auch wirklich ihnen gehören. Also entweder verteile ich etwas, das gehört aber allen. Oder die Kinder müssen entscheiden, ob sie was abgeben oder eben keiner was bekommt.
Das gleiche gilt für Spielsachen. Sie gehören meinen Kindern, da sollen sie auch frei drüber bestimmen. Aber ist Besuch da, darf der mitspielen. Das heißt, dass Stifte in der Mitte für alle zugänglich sind, der Besuch auch eine Puppe haben darf, .... Welche Puppe, dürfen meine Kinder selbst entscheiden und besondere Glitzerstifte dürfen sie wegpacken.


Ganz vermeiden lassen sich diese Phasen sicher nicht. Hier ist es auch teilweise richtig extrem, aber dann kommen wieder Phasen wie jetzt, wo die Kinder so dermaßen kompromissbereit sind. Und dann gibt es Phasen, in denen die Kinder bei allem ja sagen, sich komplett unterbuttern lassen und das ist einem ja dann auch nicht recht  ;D

Sonne1978

Da sagst Du was, Lisa: ich habe meine Kinder auch schon gefragt, ob der Spielbesuch mit irgendwas definitiv NICHT spielen darf. Dann werden diese Sachen weggepackt. Alles andere ist für alle gleichermaßen zugänglich.

Fliegenpilz

Ich sehe hier nicht das Problem im "nicht teilen können" sondern eher ein "ich will das was ich gerade nicht haben kann".

Und auf gewisse Machtkämpfe lasse ich mich mit meiner 5jährigen gar nicht mehr ein, denn es ist ein reines mit dem Kopf durch die Wand Spiel.

BiDi

Deine Tochter ist Einzelkind, oder? Nicht das Geschwisterkinder besser zurückstecken können - aber die tragen solche Konflikte untereinander aus. 24 Stunden am Tag  :P. Allerdings haben sie das Prinzip von 'Mal ich, mal Du' dadurch auch schneller 'drauf. Denke ich zumindest. Mit 5 Jahren konnten sie schon ganz gut zurückstecken, aber die Phase zwischen 2 und 4 Jahren: Puuh! Selbst Türenöffnen wurde zur Machtfrage. Da half manchmal nur diskussionsloses Durchgreifen, auch wenn danach einer heult.

Grüsse
BiDi

Mattis: * 3.2004
Moritz: * 4.2005

deep_blue

Nun, ich/wir haben in den USA einen anderen Ansatz als "Teilen" kennen gelernt.

Wir haben "learning to share in taking turns" (kannst unter diesen Stichworten gerne mal die Suchmaschine belästigen) gelernt... also abwechselnd, nach einander etwas benutzen. Teilen hat in der Tat ja fast einen negativ besetzten touch.

Dieses Prinzip (ist hier im Thread ja auch schon angesprochen) hat sich bei uns in allem irgendwie durchsetzen können. Natürlich war ein Lernprozess bedingt, damit das funktioniert. Aber dieser Lernprozess ging damals recht schnell von statten.

In anderen Bereichen, Beispiel Schokoriegel, würde auch ich der Konfrontation aus dem Weg gehen in dem ich eine Teilung vorher bereits vornehme. :)

Und ganz klar... das ist eine Phase, die zwischen 4 -5 extrem sein kann, vermeintlichen eigenen Besitz erkennen und dann verteidigen! :)

Petra

Hallo,

also es wurde schon viel gesagt...

Teilen ist an sich so wunderbar pädagogisch und wertvoll... aber auch so unsagbar blöde. Also wenn ich doch jetzt den Schokoriegel für mich allein haben will ... oder wenn ich denn jetzt alle Stifte für mich haben will...
Es gibt Kinder die geben alles ab - und da muß man eher dagegen steuern und muss an das "Ich" erinnern - diese Kinder sehen eher das "Du" und trauen sich nicht, für sich einzustehen. Andere Kinder trauen sich sehr wohl ihr "Ich" zu verteidigen und sehen das "Du" noch nicht so. Unter diesem Aspekt ist letztere Variante fast die netter, oder?

Ich kann nur sagen, 90 % unseres Verhaltens imitieren wird durch Vorbilder. Das heißt wenn Ihr Eurer Maus eine gute Mischung vorlebt, wird Sie das automatisch übernehmen. Und eine gute Mischung heißt, JEDER hat auch sein eigenes und kann das natürlich auch schützen. Also Mama hat ihre Sachen / Papa hat seine Sachen und sie hat natürlich auch ihre Sachen über die sie auch bestimmen darf. Diese Dinge sind unantastbar für andere. Aber sie sieht auch - Mama und Papa teilen die Schoki oder was auch immer. Das ist ein gesunder Umgang. Nur teilen und immer abgeben ist auch nicht gesund.

Gib ihr ein bisschen den Raum zu erfahren was passiert, wenn sie nicht teilt (anderes Kind ist traurig... ) und gib ihr das Recht zu Hause über ihre Sachen zu entscheiden (natürlich im Rahmen.... ).

Liebe Grüße
Petra