4jährige extrem launisch - wie reagieren?

Begonnen von käse, 30. Januar 2015, 10:40:15

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käse

Hallo,

meine 4jährige Tochter hält mich momentan ganz schön in Schach. Und wie man ja aus allen möglichen Erziehungsratgebern weiß, ist es immer das Verhalten der Eltern, das eine Veränderung auslösen kann - also bin ich auf der Suche nach Veränderungsideen.

Schon beim Wachwerden morgens geht es oft los. M wird von selbst wach, so ca. um 7. Das ist prima, wir haben dann knapp 1,5std. Zeit bis es losgeht zum KiGa.
Papa oder ich gehen dann zu ihr und schon die erste Reaktion ist oft ein 'aahh' oder 'neeeiin', weil sie dann z.B. den jeweils anderen von uns lieber im Zimmer hätte, weil sie will, dass wir sie mit zu uns ins Bett nehmen zum Wachwerden oder weil sie will, dass wir bei ihr sitzen bis sie richtig wach ist (meistens das Gegenteil dessen, was wir vorschlagen). Dann geht es oft beim Frühstücken ('Ich hab aber keinen Hunger'), Anziehen ('Ich will das nicht anziehen, ich find das nicht schön'), Zähneputzen, Haarekämmen etc. weiter. Bis wir fertig sind zum aus dem Haus gehen, bin ich oft schon ganz schön fertig. Der kleine Bruder (5 Monate) muss ja in der Zwischenzeit auch noch versorgt werden. Und die Kämpfe kosten so viel Kraft.
Wir haben schon manches angepackt (z.B. lege ich abends immer raus was sie anziehen soll und wir diskutieren da nicht mehr drüber, denn wenn sie mit aussuchen sollte, war es ein ewig langes Hin und Her - wenn sie nichts essen will, packe ich ihr ein Brot in die Tasche (im KiGa isst sie ansonsten nur Obst im Laufe des Vormittags, mittags hole ich sie dann ab) - wenn sie zu sehr schreit, tobt, tritt oder so bestrafen wir sie mit in ihrem Zimmer oder im WC warten, bis sie wieder raus darf usw.), aber es bleibt sehr anstrengend.
Nun haben wir heute auch noch Abschied vom Schnuller genommen (sie hatte ihn immernoch zum Schlafen weil es immer wieder einen Grund gab, die Sache noch nicht anzupacken, z.B. die Geburt des Bruders) und ich hab Sorge, dass die Kämpfe jetzt noch mehr werden, die Nächte wieder unruhiger usw.
Was sind Eure Eindrücke auf meine Schilderungen? Gibt es ähnliche Erfahrungen und Tipps?

Vielen Dank schonmal, herzlich
Käse :-)

Sweety

Oh wei... das hat man schonmal gerne in dem Alter. Mein Großer wird bald fünf, ich kenne das also auch aus eigener Anschauung gerade ;)

Zuerst mal - ich find's gut, dass ihr in manchen Dingen gangbare Lösungen gefunden habt (Frühstück).

Ich gebe jetzt einfach mal zu bedenken, dass vier auch echt ein fieses Alter ist. Der Verstand macht Riesensprünge, man sieht auf einmal bewusst, was alles möglich ist, was andere können und man selber kann und/oder darf nicht. Die ersten Freunde werden von einem getrennt, weil sie was älter sind und mit den Vorschulprogrammen anfangen und werden bald in die Schule gehen und man selber kann doch schon soviel und muss trotzdem zurückbleiben.

Ich bewundere das. Ich bewundere, wie gut Kinder diese Zerrissenheit, diese sehr gemeine Lebensphase, dieses Möhre hinhalten von seiten des Alltagslebens und sie dann doch wieder Wegschnappen, die meiste Zeit aushalten.

Und ich bin ganz entschieden der Meinung, dass Neins, Strafen, noch mehr künstliche Grenzen ausgerechnet in den Momenten, in denen sie es nicht so gut aushalten, eher kontraproduktiv sind.
Was soll damit erreicht werden? Was KANN damit überhaupt erreicht werden außer noch mehr Frust?

In solchen Momenten gehe ich auf meinen Sohn zu, statt von ihm weg.

Warum legt deine Tochter nicht abends oder schon am Nachmittag raus, was sie am nächsten Tag anziehen möchte? Da kann sie dann so lange rumtrullern und sich umentscheiden, wie sie will - es gibt keine Deadline, die drängt.

Wenn mein Großer in Wut und Rage haut, dann komm ich nicht mit Predigten, dass ich nicht gehauen werden will und wir sowieso nicht hauen, bla bla bla. Das weiß er. Und tut es in seiner Hilflosigkeit trotzdem.
Ich geh zu ihm, in jeder Hinsicht auf Augenhöhe, auch wenn ich dann noch mehr auf Schlagdistanz komme und frage ihn wirklich mitfühlend, ob es gerade so doll schlimm ist, dass er sich nicht anders als mit Hauen zu behelfen weiß. In 99% der Fälle hab ich damit die erste Bresche in der Mauer und in dem einen Prozent, wo das nicht der Fall ist, schnapp ich mir ein Kissen und halte es ihm hin. Aber ich lasse ihn nicht alleine mit seiner Not. Denn die hat er.
Einem Kind in diesem Zustand geht es definitiv schlechter als mir, das darf ich nie vergessen.

Weitere Strategien - besprich doch mit deiner Tochter mal in einem ganz und gar entspannten und heiteren Moment, was sie davon hält. Ob sie jetzt, wo gerade Ruhe ist, sagen kann, was sie dann umtreibt. Was sie braucht. Was ihr gemeinsam machen könnt.

Ich hab das gemacht - und es war erstaunlich. Die Kleinen sind schon so kompetent, wenn sie auch nicht alles wissen.

Mein Großer hat mir den Vorschlag gemacht, zu singen und gleich das Lied mitgeliefert: "Alle Vögel sind schon da." Und mittlerweile ist er es, der wenn es sich hochzuschrauben beginnt, ruft "Mama! Schnell! Unser Streitlied!!!"
Und das wirkt, das kann ich dir flüstern. Es ist nämlich für beide Seiten so gut wie unmöglich, noch adäquat wütend zu sein, wenn man gerade aus voller Kehle "Alle Vögel sind schon da" geschmettert hat ;D ;D

Ein Tipp, den ich mal bekommen habe, war Gold wert - nämlich, wenn es sich wieder hochschraubt, zu rufen: "Ey, du hast Bock zu streiten?? Na dann mal los! Zeig, was du kannst." Und dann flanken wir uns gegenseitig die wüstesten Beschimpfungen an den Kopf.  Kein Wort ist tabu in dem Moment (also bei ihm - ich achte da schon drauf ;) ).

Mein Gott, wie befreiend ist das. Auch für mich.

Bei uns ist ganz viel Frieden (nicht Ruhe, das passt nicht zu unserem Naturell) eingekehrt, als wir einfach unsere Vorstellungen losgelassen und akzeptiert haben, dass unsere Kinder keine Anhängsel sind, sondern das Recht auf ihre eigenen Vorstellungen und erstaunlich oft auch die Kompetenz haben, sie umzusetzen. Man muss es ihnen nur zutrauen :)

some&leni&ben

Boah sweety, wo ist der "Gefällt mir"-Button? Toll geschrieben, tolle Ideen, tolle Umsetzung! Ich wünschte, ich wäre auch so kreativ, was die Erziehung betrifft.

Sweety

Ich hatte viel viel Hilfestellung. Bei manchen Sachen haben sich mir anfangs die Nackenhaare gesträubt... "Wieeeeeeee, ganz ohne Konsequenzen und Strafen?"

Aber dann dachte ich, so wie es jetzt ist (so ähnlich wie bei dir, Some, du könntest meinen Großen beschrieben haben) - was haben wir schon groß zu verlieren, wenn wir mal ganz andere Pfade gehen? Schlimmstenfalls bleibt alles wie es ist.

Und dann haben wir uns getraut. Losgelassen. Und uns sind die Augen übergegangen. Natürlich gibt es Einbrüche, Rückschläge, Momente, wo wir doch wieder gegeneinander arbeiten. Aber sie sind seltener geworden. Wie gesagt - ruhig wird es bei uns nie sein. Bei vier temperamentvollen Rechthabern unter einem Dach ist das auch eher utopisch. Aber friedlicher ist es.

Meph

Haha, ich liebe es wie sweetie das leben mit 4 dominanzien beschreibt.
Wir führen ja eine sehr sehr ähnliche Linie hier....
Leise? Hier? NIE!
Aber meist friedlich und gleichberechtigt.

Gestern störte es meinen Mann, dass Freya und ich uns angezickt haben, wir haben ihn gemeinschaftlich des raumes verwiesen um uns grinsend weiteranzuzicken, weil wir das einfach gerade brauchten ;)

Die schlimmsten Jahre waren eigentlich die ersten 4 Jahre von Freya, wo wir uns noch zu sehr an "aber so muss das doch sein" leiten lassen haben.

Unser "alle vögel sind schon da" lied war "wutmonster bist ein kleiner wicht"  :D
Und ja, wenn sie so in sich gefangen sind frag ich auch, ob sie kuscheln möchten oder was sie gerade brauchen, ob sie eine idee haben, wie ich sie aus ihrem doofen gefühl im bauch mit begleiten kann- oder ob ich vielleicht auch einfach gerade die falsche person bin.
Selbst 2jährige können schon unglaublich reflektiert sein! und 4jährige erst recht. wir müssen es ihnen nur zutrauen und ihnen zuhören.

Das heisst aber auch alles nicht, dass ich mich 100% nach dem Kind richte, denn auch ich bin ein Mensch und ich habe meine Grenzen. Ja, und auch wenn es sicherlich für entgeisterung sorgt, meine Kinder bekommen auch mal ein: Boah, dein verhalten nervt mich gerade kolossal vor die Füße geworfen. Ich halt aber auch ein "Mama, du bist im Moment ganz schön anstrengend" aus  ;D
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Für Dezentralität und Eigenverantwortung! https://www.youtube.com/watch?v=8zeg_R-PMAw
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Sweety

Wir "richten" uns auch nicht nach dem Kind. Meph weiß ja, wie es hier ist ;D


Wir zicken uns an, wir vertragen uns. Im Alltag wird jeder gehört, jeder erfährt mal volle Rücksicht aller anderen auf seine Wünsche, jeder muss mal murrend zurückstecken, jeder muss mal das Hirnschmalz in Wallung bringen, um zu einer Lösung beizutragen, die allen gut tut.

Manches Mal, wenn ich die Not eines meiner Kinder sehe, werfe ich meine Pläne über den Haufen und disponiere spontan um. Andere Male sag ich "Schatz, da führt gerade kein Weg drumherum. Wir müssen da jetzt durch. Also kneif die Backen zusammen; wir rocken das Ding jetzt."

Klappt das immer? Nein, nichtmal ansatzweise. Aber es läuft rund im Familienbetrieb. Meistens. Sehr viel öfter als zu Zeiten von "Aber das müssen sie doch mal... man kann doch nicht..." und co.

Sweety

Ich stimm hier generell Meph zu und mit besonderem Vergnügen ihrem letzten Absatz ;D

Meph

Bei Euch ist es eines: herrlich entspannt  ;D ;D

Oder wie Freya sagte: oh mama,das mit den anderen regeln bei anderen ist immer ganz schön schwer, aber du hattest recht, hier ist es fast wie bei uns!

Unsere 3 goldenen Regeln heissen: Wir nehmen Rücksicht aufeinander, wir unterstützen uns gegenseitig und... ja eigentlich sinds die 2 aus denen alles andere schon von allein resultiert.
Edit: und die dritte war und ist: wir achten auf uns selbst und teilen uns mit, damit es uns  auch gut gehen kann!
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nika80

Ganz toller Beitrag Sweety ! Screenshot gemacht, abgespeichert und jetzt hoffen, dass ich ihn in zwei Jahren noch wiederfinde ;D

käse

Vielen Dank für's Mitdenken und Schreiben!
Es ist ja ein bisschen Glückssache, ob man in einem Forum auf die Fraktion Rigide oder eher die Versteher stößt. Aber vielleicht eben in meinem Fall auch nicht nur Glück, sondern Fügung. Ich atme tief durch und versuche, mit mehr Verstehen und weniger Druck an die Sache zu gehen. Mein Hauptproblem ist immer, dass ich schnell denke 'ich muss das doch hinkriegen! ich muss dafür sorgen, dass mein Kind zufrieden und gleichzeitig gut erzogen ist!'.
Dass beides aber ein Prozess mit Hochs und Tiefs ist und ich nicht perfekt sein muss und sie auch nicht, vergesse ich dabei.
Also: Augen und Herz auf und Ansprüche runter!
Vielen Dank allen Antwortern!

Hubs

Sweety, von mir auch ein Danke, für den tollen Beitrag.
Ich führ mir auch immer wieder zu gemüte, wen's eigentlich gerade schlimmer trifft. Mein nicht kooperieren wollendes Kind, das tobt und heult oder mich als Erwachsene, die drüber stehen kann, wozu mein Kind einfach noch nicht in der Lage ist.
Es gibt Momente, da kann's keinen Kompromiss, keine Kooperation geben. Für mich ist die große Herausforderung festzustellen, wann meine Kinder einfach eine klare Linie meinerseits brauchen und wann sie einfach nur Verständnis und Zugeständnisse benötigen. Es gibt Momente, in denen kommt man um den Streit nicht herum, weil das Kind den Frust ablassen muss, aber dann darf es auch toben und wüten und hinterher zu mir in den Arm kommen mit der Gewissheit keine Strafe zu bekommen sondern mit allen Ecken und Kanten angenommen und getröstet zu werden.
Hubs mit den beiden Buben *04/2009 *01/2012



How could anyone ever tell you, you were something less than beautiful?
How could anyone ever tell you, you were less than whole?
How could anyone fail to notice, that your loving is a miracle?

Honey

Anstatt ein Streitlied, (brauchten meine vierjährigen Wutjungs  :-*) braucht meine vierjährige Wuttochter  :-* in genau solchen Momenten einen ganz intensiven Knuddler. Es hilft immer. Es hilft, wenn ich sie auf Augenhöhe richtig anschaue und ihr sage, dass ich sie verstehe. Und wenn wir uns dann, egal wie wenig Zeit eigentlich ist, wirklich halten und drücken, dann hilft das! Zu 99,9% besser, als eine Bestrafung die nichts löst und das Bocken nur verschlimmert. Genauso wie meine Laune. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich es schaffe ruhig zu reagieren und mich an diesen Weg zu erinnern. Ich freue mich total, wenn sich meine Kinder daran erinnern, es so zu machen. Auch versuchen wir wirklich bewusst, in Ragemomenten zu sagen: "Hey guck mal, wir wollen doch so nicht sein....?!" Klingt merkwürdig, bestimmt  ;D, wenn man es so liest. Aber es hilft! Es hilft, wenn man nur noch rot sieht und sich bewusst macht, worauf es wirklich ankommt!  :) Wir gehen beide mit gutem Gefühl aus der ROT Situation, wenn wir es so lösen.  :)
Wir können zusammen darüber lachen.  :D
Ich spreche jetzt wirklich von solch typischen Momenten, in denen wegen einer Nichtigkeit (Achtung, Achtung, für das vierjährige Kind ist es natürlich genau das NICHT) eine Code Red Situation entsteht.
Und Sweety, "Lass das Kind am Vortag raussuchen und rauslegen," klingt toll, aber das bedeutet leider nicht, dass unser Prinzesschen das morgens noch toll findet und nicht beginnt, den Schrank neu zu durchforsten. S:D
~ The Love Inside You Take It With You. Swayze & Family Comes First. Sandler ~
 

~ Wir machen uns die Welt, widdewidde wie sie uns gefällt ~

Honey

Wir verstehen übrigens nie, warum "die ganze Welt" von den Terrible 2s spricht, 3-5 ist in unserer Familie definitiv ein ganz anderes Kaliber.  S:D
~ The Love Inside You Take It With You. Swayze & Family Comes First. Sandler ~
 

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Sweety

Zitat von: Honey am 31. Januar 2015, 07:14:12
Wir verstehen übrigens nie, warum "die ganze Welt" von den Terrible 2s spricht, 3-5 ist in unserer Familie definitiv ein ganz anderes Kaliber.  S:D

Same here ;D

Mit dem Rauslegen... stimmt. Aber da sag ich jetzt mal: probieren und gucken. Auf die Müllkippe der gescheiterten Ideen kann es immer noch ;D

Honey

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