Flüchtlingskinder in der Schule

Begonnen von GiGi, 17. Oktober 2015, 22:04:25

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GiGi

Liebe EO-Gemeinde!

In den nächsten Wochen werden vier syrische Kinder in unserer Grundschule ankommen. Mich interessierren einfach mal eure Erfahrungen diesbezüglich... ich wohne in der brandenburgischen Provinz, es gibt hier keine Übergangsklassen, die Kinder werden direkt in die Klassen gesetzt. Ein Junge wird in der Klasse unseres Großen sein - er ist schon ganz aufgeregt und ich musste ihm auf youtube arabische Videos vorspielen, weil er wissen wollte, wie sich die Sprache anhört.  :D

Jetzt denke ich drüber nach, was man tun kann, um die Kinder bestmöglich zu integrieren. Ich stelle mir das furchtbar vor: ein Schulhof voller Kinder, die man nicht versteht. Von der Vorgeschichte ganz zu schweigen...

Was habt ihr für Erfahrungen gemacht - was war gut für die Integration? Wie läuft das bei euch mit den Flüchtlingskindern?

Liebe Grüße...
Großes geliebtes Kind *11.2007
Kleines geliebtes Kind *02.2011

toki

Hallo

Ich kann dir zwar keine Erfahrungen mit Flüchtlingskindern erzählen aber ein Beispiel wie gut sich Kinder trotz Sprachbarrieren eingliedern. Wir haben seit kurzem in der Mannschaft meines Zwerges einen Jungen aus Japan der kein Wort deutsch und nur ein paar Brocken englisch versteht. Das klappt erstaunlich super. Er versteht zwar nichts was d Trainer und die Jungs ihm sagen aber er es klappt trotzdem ganz wunderbar und er scheint sehr glücklich zu sein und kein Problem damit zu haben.
Klar das ist ein etwas anderes Beispiel weil hier die gemeinsame Leidenschaft des Fußballspiels noch eine Rolle spielt aber ich geh mal davon aus das die Kinder das schon machen.
"Realität ist die abstrakte Illusion zerstörter Ideale"

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Honigbluete

In Lukis Klasse ist ein Junge aus Mazedonien, der zu Beginn des Schuljahres ohne Deutschkenntnisse gekommen ist. Lukas ist sein Pate und hat ihm einfach gezeigt, wo was ist, was er tun soll und wo er hin muss. Mittlerweile spricht er gut Deutsch und er ist auch von Anfang an integriert gewesen.

In meiner Schule sind die Schüler schon deutlich älter, aber gerade die Kinder aus den arabischen Ländern sind sehr fleißig und lernen sehr sehr schnell.

Tini

In der Klasse meiner Großen ist seit letzter Woche ein Junge aus Syrien. Er spricht noch kaum Deutsch, aber so wie meine Tochter berichtet, tun die Kinder alles um ihm den Start so leicht wie möglich zu machen. Es sind auch in anderen Klassen Flüchtlingskinder, die meisten aus Syrien. Die Lehrer sprechen viel mit den Kindern über das Thema.

Was die sprachliche Integration betrifft, gibt es an unserer Schule keine speziellen Deutschkurse. Das läuft wohl so irgendwie "nebenbei" bzw an anderer Stelle außerhalb der Schule.
She *7/2006
He   *7/2014

scarlet_rose

Das Wichtigste ist, denke ich, den armen Kindern den Stempel "Flüchtling" von der Stirn zu wischen.

Hier an der Schule wurde das gar nie bekannt gegeben, da kommen bzw kamen einfach neue Kinder in die Klasse, ganz ohne Flüchtlingsstempel. Ich verstehe überhaupt nicht, wieso man das so bekannt gibt und finde es für die Kinder schade.

Es können übrigens ständig Kinder überall her, die kein Deutsch können.

Was man tun kann? Sie behandeln, wie ganz normale Kinder, denn ich glaube das ist es, was die brauchen.
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Tini

Auf der einen Seite hast Du sicher recht.

Auf der anderen Seite beschäftigt die Kinder das Thema aber ohnehin und bei uns kommen in der Regel auch nicht ständig Kinder neu auf die Schule, die kein Deutsch sprechen.

Natürlich sollten sie normal behandelt werden, aber ich finde es dennoch gut, dass die Kinder Bescheid wissen.
She *7/2006
He   *7/2014

peter

Scarlett findest du das auch zu privat oder zu intim?
Ich find tini hat recht, die kinder sind evt gezeichnet, haben traumata, sind " komisch" da könnte es den kindern helfen zu verstehen warum die kinder evt " anderst" sind. Im schlimmsten fall sind sie super intressant und alle wollen helfen :) aber schaden tut das doch keinem.

scarlet_rose

Satti das ist so dermaßen lächerlich, eigentlich nicht MaK einer Reaktion wert...

Ich hatte ein Flüchtlingsmädchen in meinem Wohnhaus als Kind und sie war auch immer das "Flüchtlingsmädchen" und hat schwer darunter gelitten, dass das Thema war und sie eben immer das Flüchtlingskinder. Sie war fest in inneren Freundeskreis integriert und ist es bis heute.

Auch in Liams Klasse sind 2, das wusste ich gar nicht. Sie wurden einfach normal aufgenommen. Und sind gut integriert. Man wollte engen vermeiden, dass der Flüchtlingsstatus zum Thema wird, sondern die Kinder normal aufnehmen und auch vor kritischen Eltern stimmen schützen.

Das bedeutet nicht, das man nicht über Flüchtlingsströme und entsprechende Themen reden soll, Tini, natürlich muss man darüber reden, egal ob Flüchtlinge in der Schule sind oder nicht.

Aber Integration KANN nicht funktionierten, wenn man die Menschen Kategorisiert, denn alleine das ist schon ein Stück Abgrenzung.
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Once

#8
ich befinde mich zwischen den Meinungen. Ich arbeite mit Kindern aus allen Nationen. Einige davon sind syrische Flüchtlingskinder und bevor ich die anderen Meinungen las schrieb ich schon an einem Beitrag der inhaltlich ähnlich ausgerichtet war wie Scarlets.

Kinder sind Anpassungskünstler und brauchen eigentlich nicht mehr als freundliches Entgegenkommen. Ich habe vor einigen Monaten angefangen mit Zwillingen zu arbeiten die aus dem Iran geflohen sind und die nicht EIN Wort deutsch verstanden geschweige denn sprachen. Das ist jetzt maximal fünf Monate her. Mittlerweile gehen sie zur Schule und können sich schon gut unterhalten, verstehen alles. Sie sind aber auch ohnehin sehr intelligent.

Mit drei Geschwistern die aus Syrien flohen arbeite ich auch. Sie sind allerdings schon vor vier Jahren geflohen. Der Älteste war sehr traumatisiert und ganz selten, wenn ich mal mit ihm über die Vergangenheit spreche, dann bricht noch immer alles aus ihm heraus und er weint und malt Bilder mit Panzern, Menschen mit Gewehren, Menschen die aus den Extremitäten Bluten, seinen toten Cousin usw. Hier mal eines der unblutigen aber ebenso eindrücklichen Bilder


Also ich würde dementsprechend sagen, es brauch ein gesundes Mittelmaß. Es bringt weder etwas die Kinder auf einen Thron aus Mitleid zu hieven noch komplett zu ignorieren, was ihnen widerfahren ist.
Den deutschen Kindern würde ich nur raten den Kindern einfach freundlich entgegen zu treten. Mehr nicht. Sie dürfen natürlich wissen, warum die Kinder kommen und was passiert ist. Das hat mMn nach nichts mit Stigmatisierung zu tun.

Fliegenpilz

Im Eingangsposting steht etwas von "bestmögliche Integration", nicht von Mitleid oder Stigmatisierung.
Und sich darüber Gedanken zu machen finde ich toll :) :)
Genauso wie ich es gut finde sich darüber Gedanken zu machen, dass eben kein Mitleid oder gar eine Stigmatisierung die Kinder begleitet.

Wenn ich mir nun vorstelle in ein fremdes Land zu kommen und eine Institution zu besuchen, dann sind es so Kleinigkeiten, die einfach das Leben erleichtern, wenn man schon die Sprache nicht spricht.
Wo sind die Toiletten? Nicht erklären, hingehen und zeigen. Mitnehmen, vorleben. So kann das Kind ohne sprachliche Barriere den Weg selbst dorthin finden beim 2. oder 3. Mal und bleibt vor eventuellen Peinlichkeiten (Einnässen?) verschont.
Frühstück, was wird gefrühstückt? Wenn z.B. Geld für Kakao eingesammelt wird (gibt es das heutzutage noch? ;D), dann ist das bestimmt ohne Sprache schwer zu erklären - also kriegt das Kind seinen Kakao und die Bezahlung wird später geregelt, ohne großes Wenn und Aber. Ein gemeinsamer Kakao, ein gemeinsames Brot - kein Hunger, kein Durst, kein Daneben stehen.

Ich denke, dass es einfach Kleinigkeiten sind die zu einer guten Integration führen - ohne Mitleid oder Stigmatisierung. Einfach dem Menschen Kleinigkeiten erleichtern, damit er Kraft und Mut für die großen Dinge hat :)

Honigbluete

Genau das ist Aufgabe der Paten, Christiane, die Kinder quasi an die Hand zu nehmen und zu zeigen, was wann wo und wie stattfindet.. Und zwar für alle Erstklässler/neuen Schüler.

Once

Zitat von: Christiane am 18. Oktober 2015, 12:18:26
Im Eingangsposting steht etwas von "bestmögliche Integration", nicht von Mitleid oder Stigmatisierung.

ne, aber in den Antworten ;-)

moni

in unserer schule waren schon mehrere ausländer kinder die kein wort deutsch sprachen. das wurde alles gar nicht so thematisiert. die kinder haben geholfen wo sie konnten und fertig. sie haben unheimlich schnell die sprache gelernt. das war echt beeindruckend.

ein kind, auch flüchtlingskind, kann jetzt sehr gut deutsch und erzählt jetzt ab und an den kindern von der heimat. aber da ist nichts von mitleid oder so.

kinder sind da echt viel pragmatischer und denken nicht soviel darüber nach. die handeln einfach. bei uns immer im gutem sinn

scarlet_rose

Ich habe auch niemandem vorgeworfen zu Stigmatisieren. Es war einfach der Punkt, den ich anführen würde und wichtig finde, nicht auf das Flüchtlingsdasein zu viel Gewicht zu setzen, sondern primär das Kind zu sehen.
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LILA

In Niklas Klasse ist ein Junge aus Syrien gekommen. Wir kannten ihn schon vorher. Ich hab die Familie im Heim besucht und ich habe meinen Kindern wahrheitsgemäß auf ihre Fragen geantwortet ("Wo kommt er her", "Wo ist sein Papa", "Warum spricht er anders").
In den ersten Tagen haben wir ihn abgeholt und sind zusammen zur Schule gelaufen.

Der Unterricht wurde "normal" fortgeführt. Es gab wenige Extras. Er hat superschnell deutsch gelernt und spricht jetzt (9 Monate) nach der Ankunft wirklich gut Deutsch.

Mach dir nicht zu viele Gedanken. Die Kinder regeln das prima. Niklas und der Junge haben anfangs pausenlos aufeinander eingeredet. Der eine auf syrisch und der andere auf deutsch und dann gab es noch beidseids die Variante "erfundenes Englisch".  ;D
Nach den ersten Paar Minuten nach dem Kennenlernen sagte Niklas zu mir "der R* und ich sind jetzt Freunde". Ich fragte ihn wie das denn so schnell ging....."Na Mama ich hab es ihm halt gesagt".  s-:) ;D

hallihallo

Die Kinder werden wohl die besten I-Helfer in Deutschland werden,wenn man sie läßt  :)

Bei uns wird sich das "Problem" mit der Schule/KiGa wohl nicht stellen, aber vielleicht ergibt sich privat etwas.

Nipa

Wie soll man den Kindern das denn vorenthalten dass das Flüchtlingskinder sind?

Meine Kinder bekommen doch mit, dass aktuelle viele Menschen nach Deutschland fliehen, wir haben hier im Ort eine Traglufthalle mit Flüchtlingen.
Da kommen also dann Kinder ohne Deutschkenntnisse in die Schule und wo sollen die alle herkommen?

Ich glaube dass Kinder in der Regel damit ganz entspannt umgehen und da jetzt nicht dauernd die Mitleidskeule schwingen - vorausgesetzt es wird nicht von den Eltern permanent vorgelebt!

Ich würde mein Kind jedenfalls diesbezüglich nie anlügen!

Nachtvogel

#17
Kinder schwingen idR eh keine Midleidskeule ;)

Aber dass sie wissen, wo das Kind herkommt finde ich schon wichtig damit die Kinder eben nicht abstempeln *ist komisch-verhält sich seltsam-spricht anders* sondern wissen warum das evtl so sein kann und ggf etwas mehr Verständnis haben.


Als ich in der ersten Klasse war bekamen wir einen Flüchtlingsjungen aus dem Kosovo in die Klasse.

Jahre später, so 6. oder 7. Klasse kam im Unterricht irgendwie das Gespräch darauf an was er sich erinnert oder so und ich weiß heute noch was er gesagt hat:

das alle einfach nett waren. Wortlos ihr Pausenbrot geteilt haben, mir gezeigt haben wo alles ist, mich an die Hand genommen haben wenn ich traurig war. Ich hatte plötzlich das Gefühl nicht mehr alleine zu sein.
Außerdem habt ihr euch so lustig bemüht mir die Sprache beizubringen indem ihr mir Sachen gezeigt und immer wieder die Wörter gesagt habt. ( wir haben alle so gelacht als wir uns daran erinnert haben ;D) Das fand ich damals total lustig- und lustig war etwas, was ich gebraucht habe!


36+3 -> 2940g / 37+4 -> 3320g / 38+5 -> 3660g
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schwarzesgiftal

Ich find es sogar wichtig den Kindern das zu erklären... immerhin können die Kinder zum Teil kaum deutsch und sind vielleicht nocht traumatisiert von ihren Erlebnissen.

In der Klasse unserer Kleinen ist eine kleine Türkin, (ich find die ja so putzig) unsere kleine hat von Anfang an ihren Garderobenplatz neben ihr und es gab anfangs einige Probleme... ich denk aber ehrlich dass die hauptsächlich aufgrund der Verständigung entstanden... ich hab ihr dann erklärt dass A. halt noch nicht wirklich deutsch kann und sie vielleicht nicht weiss wie sie sich verständigen soll mit ihr und ihr was sagen kann usw..
Letzte Woche kam sie strahlend heim...: Mama ich bin heut neben A. gesessen und sie war voll nett und lustig.

Also ich denke mal irgendwo muss man von sich aus einfach erklären damit keine Missverständnisse aufkommen.
" I'd rather be hated for who I am, than loved for who I am not."

GiGi

Lieben Dank für eure Beiträge! Und keine Sorge - ich mache mir keine Gedanken, schwinge nicht die Mitleidskeule oder Sonstiges. Ich weiß, wie schnell Kinder sich an Neues anpassen und wielernfähig sie sind, wie entspannt Kinder mit vielen Themen umgehen. Ich bin einfach nur neugierig. :D

@scarlet_rose

Ich finde es überzogen, von den "armen Kindern" mit dem Stempel zu sprechen. Ich denke, dass es schon Umstände gibt, unter denen es sinnvoll ist, Besonderheiten eines Kindes zu besprechen. Und wie ich schon scrieb - brandenburgische Provinz - da kommen nicht ständig Kinder ohne Deutschkenntnisse. Da ist es fast eine Sensation, wenn jemand eine andere Hautfarbe hat.

Ich denke, dass Integration/ Inklusion nur funktionieren kann, wenn man die individuellen Bedürfnisse eines Kindes im Blick hat. Und das kann man nicht, wenn man so tut, als wären alle gleich.
Großes geliebtes Kind *11.2007
Kleines geliebtes Kind *02.2011